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Im Schatten des Mondkaisers (German Edition)

Im Schatten des Mondkaisers (German Edition)

Titel: Im Schatten des Mondkaisers (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernd Perplies
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lieber geheim. Die beiden taten sich mit der Situation auch so schon schwer genug.
    Sie flohen nach Westen, in Richtung der Küste, genau wie zuvor besprochen. Caryas Vater wirkte mürrisch, vielleicht, weil sein eigener Plan, in Firanza unterzutauchen und von dort aus weiter nach Norden zu gehen, völlig gescheitert war. Stattdessen waren sie nun nach Livorno unterwegs, eine Küstenstadt etwa achtzig Kilometer westlich von Firanza – und sie alle beteten, dass ihrem Lastwagen nicht vorher der Treibstoff ausging.
    Er reichte, wenngleich bereits eine Warnlampe am Armaturenbrett aufleuchtete, als die ersten Häuser an der Küste in Sicht kamen. Diesmal hielten sie im Schatten einer verfallenen Halle, die einst ein Markt gewesen sein mochte, und Carya, ihre Eltern und Pitlit warteten, während Jonan die Lage auskundschaftete.
    Als er zurückkehrte, wusste er Erfreuliches zu berichten. In Livorno schien es keine nennenswerte Präsenz des Lux Dei zu geben, und auch Steckbriefe waren weit und breit keine zu sehen. »Allerdings bin ich ein paar eher rauen Gesellen über den Weg gelaufen«, fügte er einschränkend hinzu. »Livorno mag nicht ganz das Piratennest sein, als das Sie es bezeichnet haben, Signore Diodato. Aber eine Nachbarschaft voll braver Bürger werden wir dort genauso wenig vorfinden.«
    »Pah«, sagte Pitlit. »Ganz wehrlos sind wir auch nicht. Die sollen nur kommen.« Er tätschelte seinen glänzenden Revolver im Gürtel.
    »Mir wäre es lieber, das würde nicht passieren«, sagte Caryas Mutter.
    »Wir sollten wirklich versuchen, jedem Ärger aus dem Weg zu gehen«, pflichtete Carya ihr mit einem Nicken bei. Dass sie diesen Wunsch nicht um ihrer selbst willen hegte, sondern zum Schutz der glücklosen Strauchdiebe, die sich mit ihnen anzulegen versuchten, sagte sie nicht.
    Sie starteten den Motor des Lastwagens wieder und rollten langsam auf Livorno zu. Der östliche Teil der Stadt, die einst etwa halb so groß wie Firanza gewesen sein musste, war eine einzige flache Trümmerwüste, in deren Mitte ein sicher hundert Meter durchmessender Krater lag. Der Boden im direkten Umkreis der Einschlagstelle sah aus wie glasiert, eine bizarre Welle aus flüssig gewordenem Mauerwerk. Die Hitze dort musste mörderisch gewesen sein.
    Dahinter erhoben sich schmutzige Häuser, von denen keines mehr als drei Stockwerke aufwies. Im Süden schien es zudem ein Industrieviertel zu geben, wobei Carya auf die Entfernung nicht erkennen konnte, ob dort wirklich noch gearbeitet wurde. Zwei Kanäle, in denen schmutziges Wasser träge dahinfloss, durchschnitten die Trümmerwüste und verschwanden in der Stadt, wo sie vermutlich früher oder später ins nahe Meer mündeten.
    Dass sie die Küste erreicht hatten, war unverkennbar. Zwar wurde die Sicht auf das Meer noch durch die Häuser versperrt, aber der Wind, der hier heftiger wehte als im Inland, brachte ein salziges Aroma mit sich, das so ganz anders war als der Geruch des Tevere im Sommer. Nun bin ich das zweite Mal in meinem Leben am Meer , dachte Carya. Wenn auch unter völlig anderen Umständen.
    Sie erinnerte sich noch gut an ihren ersten Besuch an der Küste. Ein überwältigendes Gefühl von Freiheit hatte sie damals ergriffen, als sie das erste Mal den Blick über den endlosen Ozean schweifen ließ. Natürlich war sie als Templerjugendmädchen mitnichten frei gewesen. Heute sah das ganz anders aus. Heute mochten die Häscher des Lux Dei sie hetzen; es änderte nichts daran, dass sie alle Fesseln abgeworfen hatte. Nun besaß sie wirklich die Freiheit, von der sie vor Jahren nur geträumt hatte. Irgendwie passte es daher, dass ihre Reise sie an diesen Ort, ans Meer, geführt hatte.
    Am Eingang der Stadt stießen sie auf ein mehrstöckiges Gebäude, vor dem einige Pferdefuhrwerke und zwei von Motorrädern gezogene Karren parkten. An einer Holzstange lehnten zudem mehrere Fahrräder, die mit Metallketten gesichert waren.
    »Endstation«, verkündete Caryas Vater. »Weiter wird uns dieser Lastwagen nicht bringen, sofern wir keinen neuen Treibstoff beschaffen können oder ihn zum Pferdegespann umbauen wollen.«
    »Es gibt schlechtere Orte als eine Herberge für Durchreisende, um mit dem Wagen liegen zu bleiben«, stellte Jonan mit einem Blick nach draußen fest. »Und er hat uns ja ein gutes Stück weitergebracht.«
    Dem musste Carya zustimmen. Sie konnte kaum fassen, wie viele Kilometer nach Norden sie ihre Reise binnen eines Tages geführt hatte. Noch am Morgen waren sie im Dorf

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