Im Schatten des Mondkaisers (German Edition)
ich haben vorhin einen ganz reizenden Kaufmann kennengelernt, der sich bereit erklärt hat, uns mit nach Bolonara zu nehmen. Er selbst reist weiter bis nach San Marino, aber zu den Marinesen möchten wir nun wirklich nicht. Das wäre nach der Flucht aus Arcadion wie vom Regen in die Traufe zu gelangen.«
»Mama, das sind wundervolle Neuigkeiten«, rief Carya, auch wenn ihr die Worte ihrer Mutter insgeheim einen Stich versetzten. Irgendwie hatte sie noch immer gehofft, dass es ihnen möglich sein würde, zusammenzubleiben, auch wenn ihr klar war, dass die Trennung nicht die Schuld ihrer Eltern war, sondern ihre eigene. Sie war es, die unbedingt den ominösen Koordinaten nach Francia folgen wollte. Niemand sonst.
»Warte, bis ich fertig bin«, sagte ihre Mutter. »Wir haben ihm dafür den Lastwagen vermacht.«
»Nein!«, entfuhr es Carya. »Das geht nicht! Den brauchen wir, um unsere Passage nach …« Sie stoppte sich gerade noch rechtzeitig. »Um unsere eigene Weiterreise zu bezahlen«, schloss sie dann.
»Keine Bange«, sagte ihre Mutter. »Wir haben den Wagen nicht verschenkt. Er hat ihn gekauft. Ich weiß nicht, wieso, aber er war sehr interessiert daran. Komm mit zu deinem Vater. Er ist oben auf unserem Zimmer.«
Sie gingen an dem großen Schankraum vorbei, in dem jetzt zur Abendessenszeit einiges los war. Viele Tische waren besetzt, und Carya bildete sich ein, in dem Stimmengewirr nicht nur Arcadisch, sondern mindestens noch zwei andere Sprachen zu vernehmen, die ihr aber unbekannt waren. Es handelte sich fast ausschließlich um Männer, die dort saßen und sich das einfache Mahl, das auf dem Speiseplan stand, schmecken ließen. Unwillkürlich stieg in Carya die Frage auf, wo die Frauen waren, die doch sicher zu ihnen gehörten. Mussten sie die Zugtiere versorgen? Oder oben auf dem Zimmer auf die Rückkehr ihrer Männer warten? Oder waren sie vielleicht gar nicht hier, sondern saßen in irgendeinem Dorf an der Wegstrecke mit einem Balg am Bein und hofften darauf, dass der stattliche Kaufmann, dem sie ihr Herz geschenkt hatten, sein Versprechen wahr machte und bald mit genug Reichtümern zu ihnen zurückkehrte, um ein sesshaftes Leben zu beginnen? So wird es mir nie ergehen , schwor sie sich. Dabei warf sie Jonan einen Seitenblick zu. Ein Teil ihrer Gedanken – für ihn natürlich unverständlich – musste sich darin widergespiegelt haben, denn er schaute sie im Gegenzug verwirrt an.
Über eine Treppe gelangten sie in den ersten Stock, wo ihre Eltern für sie alle ein großes Zimmer gemietet hatten. Ein eigenes Schlafquartier wäre Carya lieber gewesen. Das allerdings gab ihre gegenwärtige finanzielle Lage einfach nicht her.
»Da seid ihr ja wieder«, begrüßte ihr Vater sie, als sie den einfach hergerichteten Raum betraten, in dem es außer mehreren Holzbetten nur noch einen spindartigen Schrank und eine kleine Waschecke gab. »Habt ihr Erfolg gehabt?«
»Mehr oder weniger«, antwortete Carya. »Es kommt darauf an, mit wie viel Gewinn ihr den Lastwagen verkauft habt.«
»Ah, deine Mutter hat euch schon davon erzählt.« Er rieb sich die Hände und wirkte sehr zufrieden mit sich. »Ich glaube, ich kann mit Fug und Recht sagen, dass wir ein ganz ordentliches Geschäft gemacht haben.« Seine Hand fuhr in seine Jackentasche, und als er sie wieder hervorholte, lag ein kleiner Beutel darin. Er öffnete ihn, und einige golden glänzende Münzen fielen in seine Handfläche.
Pitlit machte große Augen. »Ist das echtes Gold?«
Caryas Vater nickte. »Nicht diese Ersatzmünzen, die der Lux Dei verwendet und die außerhalb seiner Machtsphäre keinen Wert haben. Das sind echte Goldmünzen, jede von ihnen so viel wert wie ein Hundertliterfass Treibstoff. Und er hat uns vier davon gegeben! Und zusätzlich die Erlaubnis, dass Andetta und ich ihn bis Bolonara begleiten dürfen.«
»Das war wirklich recht großzügig von ihm«, warf Jonan ein. »Sicher, dass das Geld nicht gefälscht ist?«
»Überprüfen Sie es selbst«, forderte Caryas Vater ihn auf und reichte ihm das Geld.
Jonan wog eine Münze in der Hand und zog dann sein Messer, um eine Kerbe hineinzuritzen, die er sich danach genau anschaute. »Sieht zumindest nicht aus wie in Gold getauchtes Kupfer. Erstaunlich. Ich hätte nicht gedacht, dass jemandem dieser alte Laster so viel wert sein könnte.«
»Eine behalten dein Vater und ich, Carya«, sagte Andetta Diodato. »Um die ersten Tage in Bolonara über die Runden zu kommen. Die übrigen drei sollt ihr
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