Im Schatten des Mondlichts - das Erbe
Gefäß, an dessen oberen Ende ein Stab herausragte und einige Kerzen. »Wo war ich stehen geblieben?«
»Montezuma wollte wissen, wie es um die Zukunft seines Volkes stand«, sagte Naomi.
»Richtig. Nach einem Ritual sandte er seine Nachricht mit der Seele des Jungen zur Sonne. Während er darauf wartete, die Antwort zu erhalten, meditierte er.« Er blickte von Leandra zu Brenda. »Für euch beide wird es Zeit nach draußen zu gehen. Wir werden nun das Ritual von damals durchführen; und wenn es mir gelingt, werden heute Nacht eure Fragen beantwortet werden.«
»Aber es betrifft doch auch meine Familie«, wandte Brenda ein.
»Du wirst erfahren, was wir heute Nacht erleben.«
Gemächlich stand Brenda auf. »Auch wenn es mir nicht gefällt, hinausgeschickt zu werden, so kenne ich dich gut genug, um zu wissen, dass du nicht von deiner Entscheidung abweichen wirst.«
»Es geht nicht darum, was ich will. Das Ritual folgt festen Regeln, und ihr seid nicht dazu ausersehen, an ihm teilzuhaben.« Nopaltzin legte den Holzgegenstand beiseite und faltete die Hände im Schoss. Offenbar hatte er dem Gesagten nichts hinzuzufügen.
Leandra erhob sich und seufzte, bevor sie Brenda an die Schulter fasste und sagte: »Komm, lass uns nach draußen gehen.«
Mit einem bangen Gefühl blickte Naomi ihrer Großmutter und Brenda nach.
Vierzehn
Ein Ritual. Was musste Naomi sich darunter vorstellen? Nervös nagte sie auf ihrer Unterlippe und wartete, bis Nopaltzin den Holzgegenstand aufnahm und aus seiner Hosentasche ein Tütchen hervorkramte.
»Wie Moctezuma werden wir mit diesem Gerät Kräuter rauchen«, erklärte er und zog eine Art Schublade aus dem unteren Teil des ovalen Gegenstands.
Die eierförmige Kugel erinnerte Naomi an einen kleinen Football. Sie beobachtete, wie er die Kräuter in eine Einkerbung gab. »Wie oft hast du das schon durchgeführt?«
Nopaltzin schüttelte den Kopf. »Noch nie. Das Ritual wurde mir überliefert, aber es gab bisher keinen Grund für mich, es durchzuführen. Das Rauchen der Kräutermischung ist etwas Heiliges, was eigentlich nur den Hohepriestern vorbehalten war. Ich bin schon sehr neugierig, ob uns die Götter Bilder schicken werden, um alles besser zu verstehen. Moctezuma sah in einer Vision, wie der Naturgott Quetzalcóatl begleitet von einer Menschenfrau sein Reich aufsuchte, um ihm reiche Ernten zu bescheren. Zufrieden mit der Aussicht, sein Volk ausreichend ernähren zu können, kehrte er nach Tenochtitlán zurück.«
»Du glaubst, wir werden sehen, was damals geschah?«, fragte Naomi und sah zu Romina, die mit den Schultern zuckte.
Ohne zu antworten, drückte Nopaltzin die trockenen Kräuter fest und zündete sie mit einem Streichholz an, bevor er die Lade zurückschob und in ein Loch am oberen Ende der Holzkugel blies, bis Rauch aus dem angebrachten Rohr drang. Er führte das Rohr zum Mund und zog den Rauch tief in seine Lungen, bevor er gemächlich ausatmete. Danach blies er erneut in das Loch, damit die Kräuter weiter brannten, und gab die ovale Kugel an Naomi weiter, bevor er die Kerzen entzündete.
Unsicher drehte sie sie in Händen. Ihre letzte Erfahrung mit irgendwelchen Kräutern hatte sie mit Sammy gehabt. Nachdem sie damals die Kräutermischung gegessen hatte, war sie bewusstlos geworden. »Was bewirken die Kräuter?«
»Hab keine Angst, sie werden dir den Zugang zu den Göttern ermöglichen. Es wird dir nichts geschehen.« Nopaltzin sah sie mit festem Blick an und nickte bekräftigend.
Obwohl Naomi sich unwohl dabei fühlte, führte sie das Rohr an die Lippen und atmete vorsichtig ein. Der Rauch brannte in ihrer Lunge und schmeckte fremdartig und würzig.
»Du musst tiefer einatmen«, forderte Nopaltzin.
Naomi atmete aus, steckte sich das Rohr in den Mund und zog kräftig daran. Der Qualm presste ihr die Brust zusammen und das Ausatmen fiel ihr schwer. Immer wieder stieß sie die Luft aus; trotzdem ließ der Druck in ihrem Körper nicht nach. Selbst als sie spürte, dass sich keine Luft mehr in ihren Lungen befand und sie einatmen musste, fühlten sich ihre Bronchien an, als würde sie jemand mit einer Faust umklammern.
Als Naomi die Holzkugel an Romina weiterreichen wollte, nahm Nopaltzin ihre Hand, zog die Kugel zu sich und blies in das Loch, bis zarte Rauchschwaden aus dem Rohr waberten.
Die Kugel wanderte fünf Mal zwischen Nopaltzin, Naomi und Romina hin und her. Nopaltzin erklärte, dass sie nach dem Aztekenkalender unter der fünften Sonne lebten und für
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