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Im Schatten des Mondlichts - das Erbe

Im Schatten des Mondlichts - das Erbe

Titel: Im Schatten des Mondlichts - das Erbe Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J.J. Bidell
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Je mehr Kriegsgefangene ein Krieger machte, desto höher stieg er innerhalb des Ordens auf. Den Stand erkannte man am Federschmuck und an der Kleidung. Viel weiter werde ich nicht ausholen, es würde euch nicht interessieren und vermutlich sogar langweilen.«
    »Doch was hat das mit uns zu tun?«, unterbrach Romina den Häuptling.
    »Nicht so ungeduldig junge Frau.« Nopaltzin zog sich eine Wasserflasche aus der Plastiktüte, schraubte den Verschluss auf und trank einen kräftigen Schluck.
    Naomi schwitzte, obwohl es in dem aus Stein geschlagenen Raum eigentlich kühl war. Sie bat Brenda, die die Getränke neben sich in einer Plastiktüte auf den Boden gestellt hatte, um eine Wasserflasche. Durch den Eingang drang noch das letzte Tageslicht. Bald säßen sie hier im Dunkeln.
    »Die Krieger beider Orden galten als unbezwingbar. Es ist nicht ein einziger Krieger bekannt, der Schande über sich gebracht hat, weil er im Kampf auch nur einen Schritt zurückgewichen wäre.«
    Nachdem niemand etwas zu seiner Ausführung sagte, sprach Nopaltzin weiter: »Der Herrscher über Tenochtitlán, also dem heutigen Mexico City, war auch der ranghöchste Hohepriester der Jaguarkrieger und er sprach in diesem Tempel mit den Göttern. Das tat er regelmäßig im vierten Quartal des Jahres. Nach jedem jährlichen Ritual wurde ein Junge ausgewählt, der ein Jahr lang als Mensch gewordener Gott verehrt wurde. Nach einem Jahr wurde er in einer heiligen Zeremonie den Göttern übergeben, um ihnen die Nachricht des Hohepriesters zu überbringen.«
    »Er hat sich freiwillig geopfert?«, fragte Naomi, die sich nicht vorstellen konnte, wie sich jemand aus freiem Willen töten lassen konnte.
    »Es ist eine große Ehre, die Nachricht des Priesters zu den Göttern zu bringen. Die Jungen meldeten sich freiwillig, doch nur einer konnte auserwählt werden«, erklärte Nopaltzin. »Moctezuma, in eurem Land kennt man ihn unter dem Namen Montezuma, wollte erfahren, wie die Zukunft seines Volkes aussehen würde, und bat Tezcatlipoca, in seinen magischen Spiegel zu sehen und ihm zu zeigen, was sein Volk erwartete.«
    »Entschuldige, dass ich dich unterbreche«, sagte Brenda und fügte erklärend hinzu: »Ihr erinnert euch, dass ich euch von Tezcatlipoca erzählte, als ihr nach Jag War gefragt habt?«, fragte Brenda. »Der Jaguar brachte die Sonne, sprang durch ein Flammenmeer und kam geschwärzt, aber unverletzt hervor. Der Panther gilt als Tezcatlipocas höchste Macht und fügt die Schicksale des Universums. Wer in die Augen eines Jaguars blickt, sieht direkt in den göttlichen Spiegel und erfährt sein Schicksal.«
    Naomi kannte die Geschichte nur flüchtig, da Romina ihr nicht alle Details beschrieben hatte. Aber sie erinnerte sich noch, dass es hieß, wer in die Augen des Jaguars blicke, könne darin seine Zukunft sehen.
    »Du hast dir die Geschichte tatsächlich gemerkt?«, fragte Nopaltzin nach.
    Brenda nickte. »Sie fiel mir in dem Moment wieder ein, als Romina nach Jag War fragte.«
    »Hast du vorher nie an deine Begegnung mit dem Jaguar im Wald zurückgedacht? Es war eine besondere Ehre für dich, in seine Augen sehen zu dürfen. Er ist ein treuer Begleiter von Tezcatlipoca, unseres höchsten Gottes.« Nopaltzin senkte den Kopf und schüttelte ihn gemächlich. »Warum solltest du auch ... unsere Götter sind schon seit Langem eurem Gott gewichen, und nur noch wenige interessieren sich für die alten Traditionen. Ich habe mein Wissen an Ichtaca weitergegeben, aber ob er die Überlieferungen auch an seinen Sohn weitergeben wird? Vermutlich nicht ... die Zeiten ändern sich und die jungen Leute verlieren nach und nach das Interesse an den alten Legenden.«
    Nopaltzin räusperte sich, stand auf und verließ den beinahe dunklen Raum.
    »Es ist zwar ganz nett, seinen Erzählungen zuzuhören, aber ich sehe immer noch nicht, wohin es führt«, sagte Romina.
    Brenda streckte den Rücken durch und drehte den Kopf nach links und rechts. »Wir müssen ihm Zeit lassen. Er ist ein Philosoph und erzählt immer sehr ausschweifend. So ist seine Art.«
    Naomi sah zu ihrer Großmutter. Leandra schien in Gedanken versunken und starrte auf die Schlangenskulptur in der Mitte des Raumes.
    »Ich hoffe nur, dass uns die Zeit nicht davon läuft. Die ganze Geschichte mit den Göttern und ihren unaussprechlichen Namen verwirrt mich mehr, als dass es mich die Dinge klarer sehen lässt«, meinte Naomi.
    Nopaltzin betrat wieder den Raum. In seiner Hand hielt er ein hölzernes

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