Im Schatten des Mondlichts - Das Erwachen - Die Fährte - SOMMER-SONDEREDITION (German Edition)
angebracht. »Was das wohl bedeutet?«
Leandra zuckte mit den Schultern. »Pack die Sachen ein und lass uns verschwinden.« Sie nestelte aus ihrer Handtasche einen Briefumschlag. »Den hinterlegen wir in der Box. Meine Mutter, oder derjenige, der sich um das Schließfach kümmert, soll wissen, dass ich die Unterlagen abgeholt habe.«
Naomi steckte die Umschläge in ihren Rucksack. »Was hast du aufgeschrieben? Doch nicht etwa deinen Namen, oder?«
»Es ist nur eine Karte. Darauf steht: Ich habe den Kuss nicht vergessen, in ewiger Liebe. Kein Empfänger, kein Absender.« Die Stimme ihrer Großmutter brach »Sollte meine Mutter noch am Leben sein, weiß sie, dass ich hier war.«
Naomi rechnete nach. Romina müsste annähernd neunzig Jahre alt sein. Möglicherweise lebte sie noch. Aber mit Sicherheit kümmerte sie sich nach all den Jahren nicht mehr um dieses Schließfach. Anhand der Umschläge ließ sich nicht erkennen, wann der Letzte in dieses Fach gelegt worden war. »Lass uns gehen.« Sie brannte darauf, endlich zu erfahren, was in Rominas Unterlagen stand. »Und lass uns für den Rückweg ein Taxi nehmen.«
»Erst müssen wir aber noch einige Zeitschriften kaufen. Emma will heute ins Theater und sie hat keine Ahnung, welche Vorstellungen es gerade gibt.«
Naomi zog eine Schnute. Der direkte Weg in ihre Pension wäre ihr lieber gewesen. Aber sie fand kein Argument, was gegen den Zwischenstopp sprach. Leandra konnte kurz aus dem Taxi steigen und die Zeitungen an einem Kiosk besorgen, während sie den Inhalt in ihrem Rucksack bewachte.
Gegen ein Uhr setzte das Taxi sie am Bed and Breakfast ab. Naomi sah sich aufmerksam um. Niemand zu sehen. Sie drückte dem Fahrer einige Pfundnoten in die Hand und schlüpfte durch den Eingang ins Innere. Leandra folgte ihr. »Du wirst immer merkwürdiger, weißt du das? Die Straße ist menschenleer und du führst dich auf, wie in einem Spionagethriller.«
»Und du bist zu leichtfertig!«, meckerte Naomi. »Nur, weil wir niemanden sehen, bedeutet das nicht, dass wir unvorsichtig werden sollten. Ich traue diesen Anwälten nicht.« Naomi stürmte die Treppen hoch.
Leandra schnaufte, als sie im dritten Stock ankam, wo Naomi bereits wartete und eilig die Tür hinter sich schloss. Dann riss sie den Reißverschluss ihres Rucksacks auf und zog die Briefumschläge heraus. Naomi nahm einen nach dem anderen in die Hand und sortierte sie nach den darauf vermerkten Zahlen. Vier nummerierte Umschläge und einer mit der Aufschrift: Leandra . Ehrfürchtig sah sie sich das Kuvert an, bevor sie es ihrer Großmutter hinstreckte.
Leandra trat einen Schritt zurück. »Mach du es auf.« Sie schüttelte den Kopf. »Er ist ...«
»... für dich, Oma. Romina hat ihn für dich geschrieben.« Naomi sah ihre Großmutter an. »Vielleicht erklärt sie, was es mit diesen Nummern auf sich hat.« Am liebsten hätte sie mit dem vierten Kuvert angefangen, da es sich dabei vermutlich um das letzte hinterlegte Dokument handelte.
Leandra ging auf das Bett zu. Mit einem Seufzen setzte sie sich, griff nach dem Brief und öffnete ihn.
Acht
Roman saß auf der Terrasse und starrte auf den See hinaus. Der Mond verwandelte die Oberfläche in ein silbernes Meer aus funkelnden Sternen. Bertram trat zu ihm, drückte ihm einen doppelten Whiskey in die Hand und setzte sich zu ihm.
Nach einigen Sekunden brach sein Onkel das Schweigen. »Und du erinnerst dich immer noch an überhaupt nichts? Nicht einmal an Naomi? Dabei war ich so sicher, dass aus euch beiden ein Paar wird. So wie ihr euch angesehen habt. Du warst hin und weg von ihr. Das habe ich gleich bemerkt.«
Roman trank einen kräftigen Schluck. »Lass gut sein. Du kannst mir noch so oft von ihr erzählen. Ich habe nicht einmal ein Gesicht vor Augen. Ich weiß nur, was mir Robert erzählt hat. Eine Austauschstudentin, die, ohne sich abzumelden, zurück nach Europa gereist ist. Nachdem ich mich nicht an sie erinnere, kann sie kaum einen großen Eindruck auf mich gemacht haben, oder?«
»Dieses Mädchen macht auf jeden Eindruck, du Blödmann.« Bertram legte den Kopf schief. »Wenn ich nur ein Foto von ihr hätte. Warum versuchst du nicht, Kontakt mit ihr aufzunehmen? Eventuell fällt dir dann alles wieder ein.«
»Erstens komme ich nicht an ihre persönlichen Daten. Dazu müsste ich im Uni-Sekretariat einbrechen. Zweitens kann ich ihr nicht viel bedeuten, sonst wäre sie nicht ohne ein Wort nach Europa abgedampft. Und drittens gehe ich zurzeit mit einer
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