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Im Schatten des Mondlichts - Das Erwachen - Die Fährte - SOMMER-SONDEREDITION (German Edition)

Im Schatten des Mondlichts - Das Erwachen - Die Fährte - SOMMER-SONDEREDITION (German Edition)

Titel: Im Schatten des Mondlichts - Das Erwachen - Die Fährte - SOMMER-SONDEREDITION (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J. J. Bidell
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klären. Sie dachte, es wäre besser, wenn sie für diese Zeit irgendwo mit ihm alleine sein könnte.«
    »Ich will euch nicht stören, und ich weiß nicht, ob sich alles klären lässt.« Naomi sah auf ihre Schuhe. Sie schaffte es nicht, Emma ins Gesicht zu lügen. »Nicht böse sein, ja? Er wird nur zwei Tage bleiben.«
    »Warum sollte ich? Überrascht, das ja, aber doch nicht böse.« Emma stellte die Einkaufstaschen im Flur ab. »Bring deinen Freund doch heute Abend einfach zum Essen mit. Ich habe so viel eingekauft, weil ich damit gerechnet habe, dass ihr noch ein paar Tage hierbleiben werdet.«
    Naomi verzog den Mund. »Danke. Aber ich denke, wir sollten erst unsere Probleme lösen. Vielleicht morgen Abend. Ich sage dir rechtzeitig Bescheid.« Sie griff nach der Tasche. »Und jetzt sollte ich los.«
    »Ich kann dich doch fahren«, sagte Emma.
    »Die Pension ist gleich um die Ecke, oben beim Friedhof.« Naomi drückte ihrer Großmutter einen Kuss auf die Wange. »Außerdem gehe ich lieber zu Fuß. So bleibt mir noch etwas Zeit, mich auf das Treffen vorzubereiten.«
    »Machs gut, meine Kleine. Ich hole dich morgen um neun Uhr ab. Deiner Beschreibung nach werde ich es schon finden.« Leandra hakte sich bei Emma unter. »Und wir zwei machen uns einen schönen Abend, ja?«

Sieben
     
    Aus dem Fenster des Zimmers im dritten Stock blickte man direkt über den Richmond Cemetery. Der Anblick des gepflegten Friedhofs mit den aufragenden Gedenksteinen und Kreuzen ließ Naomi nachdenklich den Kopf schütteln. Wie hatte sie damals über Leandra gelacht?
    Die Nähe zum Park lieferte eine ideale Kulisse für einen Horrorfilm, wo Vampire aus Gruften stiegen und in vornehme Hälse bissen oder die angebetete Heldin, im vom Vollmond romantisch beschienen Park, verführten. All die Fantasyromane, die sie gerne gelesen und als blödsinnige Hirngespinste abgetan hatte, fielen ihr wieder ein. Auch jetzt hielt sie diese Geschichten immer noch für Unsinn. So eine Verwandlung war alles andere als romantisch. Ebenso wenig, mit solch einer Last leben zu müssen. Trotzdem musste sie nun zugeben, dass Gestaltwandler sehr wohl existierten. Sie selbst war einer. Hoffentlich träfe sie heute Nacht jemanden aus dem Clan. Diese Unwissenheit über ihr eigenes Wesen ließ sie verzweifeln.
    Das Klopfen an ihrer Zimmertür riss sie aus ihren Gedanken. Sie sah auf den Wecker. Neun Uhr. Verdammt. Sie musste eine ganze Stunde am Fenster gestanden haben. Mit eiligen Schritten ging sie zur Tür. »Guten Morgen, Oma. Komm rein, ich bin gleich fertig!« Sie griff nach ihren Jeans, einer weißen Bluse und verschwand ins Badezimmer, um sich fertigzumachen.
    »Wieso rennst du immer noch in Unterwäsche herum?« Leandra stand im Türrahmen und verschränkte die Arme vor der Brust.
    Naomi zuckte die Schultern, die Zahnpasta lief ihr vom Kinn. »Gleich.« Sie schrubbte nochmals über die Zähne, bevor sie ausspuckte. »Irgendwie ist mir die Zeit davongelaufen. Der Blick auf den Friedhof ließ mich über heute Nacht nachdenken, und plötzlich hast du geklopft.« Sie bürstete sich ihr langes Haar zurück, fischte nach einem Haargummi und band sich einen Pferdeschwanz.
    »Eine Minute noch, und wir können los«, erklärte sie, während sie sich die Wimpern tuschte. Sie schlüpfte in die Jeans und zog ihre Sneakers aus der Reisetasche. »Ich hole mir noch ein Brötchen aus dem Frühstücksraum und ab zur Bahnstation. Die Adresse der Bank hast du?«
     
    Die Linie acht fuhr in die Richmond Station ein, als sie mit ihrem Ticket in der Hand am Gleis ankamen. In der Waterloo Station stiegen sie um in die Linie nach West End. Seither herrschte Schweigen. Keine der beiden brachte auch nur ein Wort über die Lippen. Naomi spürte einen dicken Knoten in ihrem Magen. Ihre Großmutter schien nicht weniger nervös zu sein. Sie saß zusammengesunken in ihrem Sitz und knetete sich die Hände. Schließlich hielt es Naomi nicht mehr aus. »Oma, was denkst du, was wir in dem Schließfach finden?«
    »Oxford Circus. Hier müssen wir aussteigen«, meinte ihre Großmutter, ohne auf ihre Frage zu antworten.
    Naomi nickte und erhob sich. Wenig später verließen sie den Bahnhof und sahen sich um. Vierstöckige viktorianische Gebäude säumten die Straße. Alle waren herrlich mit Stuck verziert. Sie sah nach oben, bis Leandra sie an der Hand mit sich zog.
    »Komm schon. Dafür haben wir später noch Zeit.« Leandra sah auf das Straßenschild und nickte zufrieden. Great Castle Street.

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