Im Schatten des Mondlichts - Das Erwachen - Die Fährte - SOMMER-SONDEREDITION (German Edition)
höchstens vier Meilen. Trotzdem benötigten sie wegen des dichten Nebels für den kurzen Weg eine halbe Stunde. Der Nebel war undurchdringlich. Die Scheinwerfer warfen nur gelbe Kegel gegen eine weiße Wand. Zu Fuß hätte Naomi die Orientierung verloren. Unwillkürlich zog sie sich die Jeansjacke enger um die Schultern.
»Ist unheimlich, nicht?« Sammy stellte den Wagen auf dem Hotelparkplatz ab. »Man gewöhnt sich nie daran.«
Naomi nickte. »Wirklich gruselig. Man wartet regelrecht darauf, dass plötzlich etwas aus dem Nebel auftaucht.«
»Komm, ich bring dich bis zum Eingang.« Sammy stieg aus dem Fahrzeug; Nebelschwaden drängten ins Wageninnere. Sie konnte Sammys Gestalt kaum ausmachen, obwohl er nur um den Wagen ging, um ihr die Tür zu öffnen. Dunkelheit hatte Naomi noch nie geängstigt, aber die Blindheit bei dichtem Nebel war ihr schon immer unter die Haut gegangen. Diese Angst war irrational, das wusste sie, aber sie war trotzdem da. Naomi stieg aus, lauschte und hörte nur ihr eigenes Herz pochen. Sie hatte das Gefühl, beobachtet zu werden. Mit jedem Schritt erkannte sie die Lichter der Hotellobby deutlicher. Naomis Pulsschlag beruhigte sich erst, als sie den Hoteleingang ausmachen konnte. Sie umarmte Sammy zum Abschied, dankbar, dass er sie bis zum Eingang begleitet hatte. Auf dem Weg ins Zimmer schalt sie sich einen Angsthasen, der vor seinem eigenen Schatten erschrak. Sammy musste sie für eine Spinnerin halten. Wegen des bisschen Nebels beinahe umzukippen.
Sammy ging zurück und stieg in seinen Wagen. Er hatte bemerkt, wie Naomi sich ängstlich umgesehen hatte. Ihre Intuition war richtig gewesen. Es war jemand hier. Jemand, der sie beobachtete. Sammy hatte es bereits gewusst, als er aus dem Auto gestiegen war. Er spähte in den Nebel, unfähig etwas zu erkennen. Aber, es spielte keine Rolle mehr. Naomi war sicher im Hotel angekommen. Er würde auf sie Acht geben, das schwor er sich, bevor er vom Parkplatz fuhr. Sie mochte keinen festen Freund suchen, aber auf einen guten Freund konnte sie nicht verzichten. Nicht hier, wo sie alleine war. Darin lag seine Chance.
Fünf
Naomi joggte über das Unigelände und traute ihren Augen kaum. Der Campus war eine eigene Stadt, lebendig und quirlig. Egal, wo sie hinsah; junge Leute, die durch die Straßen eilten, in Gebäuden verschwanden, in Gruppen zusammenstanden. Das Semester fing erst in zwei Wochen an, und hier war schon die Hölle los.
Sie zog den Universitätsplan aus der Hosentasche. Ein Blick auf den Plan verriet ihr, dass die Meldestelle direkt rechter Hand liegen musste. Sie bog ab und ging unsicher weiter, bis sie ein Schild entdeckte. Sie war richtig. In großen Lettern prangte der Universitätsname über dem Eingang. Die amerikanische Flagge flatterte träge im Wind.
Hinter dem Informationsschalter saß eine rothaarige Frau. Ihre bunt gefärbte Haarpracht zeigte in alle Himmelsrichtungen. Naomi sah sich unsicher um, bis sie dem festen Blick der Rothaarigen begegnete. Noch bevor Naomi den Mund öffnen konnte, schob sie ihr lächelnd ein Anmeldeformular zu.
Nachdem sie alles ausgefüllt hatte, gab sie den Antrag zurück. Die Rothaarige kaute auf einem Bleistift, überflog ihn und nickte vielsagend. »Bitte setzen Sie sich einen Moment.« Mit dem Bleistift hackte sie auf die Zahlen des Telefons ein. »Die deutsche Austauschstudentin ist hier.«
Naomi runzelte die Stirn. Ihre Gedanken überschlugen sich. Musste sie womöglich sofort die Prüfung ablegen? Panik erfasste sie. Sie stand auf, setzte sich wieder hin, nur um gleich wieder aufzustehen. »Entschuldigung«, unterbrach sie die Rothaarige, die wieder auf dem Bleistift herumnagte. »Ich wollte mich nur anmelden und fragen, ob ich die Sportanlagen schon nutzen darf. Bis zur Aufnahmeprüfung habe ich doch noch Zeit, oder?«
Die Rothaarige nahm den Aufnahmebogen zur Hand. »Mh, jeah, wenn ich das richtig sehe. Trotzdem werden Sie als Ausländerin von ihrem Tutor jetzt schon befragt. Und wenn er gut gelaunt ist, zeigt er Ihnen vielleicht die Sportanlage und wo Sie wohnen werden.« Sie warf die Akte in ein Körbchen auf ihrem Schreibtisch und sah zum Fenster hinaus. Das Gespräch war offensichtlich beendet.
Naomi ließ sich wieder auf ihren Stuhl fallen. Solange sie nicht gleich die Prüfung machen musste, war ihr der Rest egal. Vielleicht wäre es ganz praktisch, wenn sie jemand herumführte und ihr alles erklärte.
Die Tür schwang auf. Ein durchtrainierter Mann trat ein. Er
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