Im Schatten des Mondlichts - Das Erwachen - Die Fährte - SOMMER-SONDEREDITION (German Edition)
nach Nachrichten. Amy stand auf dem Schild ihrer Uniform. Ein mütterlicher Typ mit ausladenden Hüften und rosigem Gesicht. Es war die nette Frau von gestern Abend. »Ich habe die Zeit vergessen.«
Amy nickte vielsagend und schob ihr fünf Zettel zu. Oma hatte fünf Mal angerufen. Naomi sah sich um. Amy zeigte in eine Ecke, in der ein Telefon an der Wand hing.
Naomis Großmutter nahm nach dem zweiten Klingeln ab. »Das wurde auch Zeit. Wenn du deine Versprechen so hältst, kommst du besser gleich wieder nach Hause, bevor ich dich persönlich abhole! Warum bist du eigentlich ohne Handy unterwegs?«
Naomi kniff die Augen zusammen. »Oma, es tut mir Leid. Ich hab einfach die Zeit vergessen. Es gab so viel zu sehen.«
Bevor ihre Großmutter etwas erwidern konnte, erzählte Naomi, was sie alles entdeckt hatte. Sie beschrieb die Einwohner und den Ort bis ins kleinste Detail. Die Lichtung vergaß sie versehentlich, die Verabredung mit Sammy absichtlich. Sie konnte sich vorstellen, wie ihre Oma damit anfing, sie sei zu vertrauensselig. »Es würde dir hier gefallen, Oma. Schön ruhig und verschlafen. Selbst wenn ich nur Pizza essen würde, käme ich dünn wie ein Stecken zurück. Hier kann ich nichts anderes machen, als durch die Wälder zu rennen.« Das für ihre Oma so typische glucksende Lachen drang durch den Hörer. Sie war offensichtlich wieder versöhnt.
»Nimm in Zukunft trotzdem dein Handy mit, verstanden? Du könntest im Wald stürzen.«
Naomi versprach ihr, künftig das Telefon mitzunehmen, wenn sie auch sicher war, im Wald kein Netz zu haben.
Was sollte sie nur anziehen? Naomi hatte bisher keine Möglichkeit gehabt zu sehen, was andere in ihrem Alter hier trugen. Auch hatte sie keinen Schimmer, wohin Sammy sie ausführen wollte. Sie entschied sich für ein geblümtes Kleid und flache Schuhe. Jeans konnten zu leger sein, hochhackige Schuhe zu elegant. Sie sah aus dem Fenster. Der Nebel erhob sich träge über dem Fluss. Die Konturen der Bäume verschwammen in den aufziehenden Schwaden. Wie gestern, verwandelte die untergehende Sonne alles in ein pastellfarbenes Meer aus Watte. Sie warf noch einen Blick auf das Spektakel, schnappte sich die Jacke vom Haken und verließ ihr Zimmer.
Sammy wartete draußen auf dem Parkplatz. Er trat von einem Fuß auf den anderen, bis er sich dazu zwang, sich lässig gegen seinen alten Honda Civic zu lehnen. Keinesfalls sollte Naomi merken, wie nervös er war. Den ganzen Nachmittag über hatte er überlegt, wohin er mit ihr an diesem ersten Abend gehen sollte. Wenn sie nun Vegetarierin war, wäre eine Tischreservierung im Steakhouse ein schlechter Start. Die Pizzeria empfände sie eventuell als zu einfallslos, das American Diners zu überfüllt, das mexikanische Essen zu scharf. Letztlich hatte er gar keinen Tisch reserviert. Zwei Minuten vor acht. Gleich käme sie. Er nannte sich selbst einen Narren, so nervös zu sein. Es entsprach nicht seinem Naturell sich wegen eines Dates überhaupt Gedanken zu machen. Doch dieses Mal war alles anders. Naomi war anders. Er fuhr sich durch die Haare und ließ die Hand sinken, als Naomi aus dem Hotel trat. Sie sah atemberaubend aus. Das geblümte Kleid umspielte ihre schlanke Figur, die flachen Segeltuchturnschuhe und die kurze Jeansjacke nahmen dem Kleid die elegante Wirkung. Ihre dunklen Haare hatte sie locker zu einem Pferdeschwanz gebunden, was Sammy ein wenig enttäuschte. Gerne hätte er die dunkle Mähne in seiner ganzen Pracht bewundert. Er winkte ihr zu. Während sie auf ihn zuschlenderte, musterte sie sein Outfit. Sie nickte leicht, was ihn verunsicherte. Er sah an sich hinunter und entdeckte nichts Außergewöhnliches.
Naomi musste lächeln. Jeans und Stiefel, ein einfarbiges Hemd und eine Jeansjacke über der Schulter. Sie war erleichtert, die Turnschuhe gewählt zu haben. »Hi Sammy, wohin werden wir gehen?«
»Gute Frage. Da ich nicht weiß, was du magst, habe ich in keinem Restaurant reserviert.« Sammy schien peinlich berührt, weil er nirgendwo einen Tisch bestellt hatte. Naomi klopfte ihm freundschaftlich auf die Schulter. »Wie ist denn der Italiener hier?«
Das Restaurant war gut besucht. Sie fanden einen kleinen Tisch in einer versteckten Ecke, direkt unter der italienischen Nationalflagge. Naomi beobachtete über die Speisekarte hinweg die anderen Gäste. Einfache Menschen in einfacher Kleidung und praktischen Schuhen. In ihren Jeans hätte sie sich wohler gefühlt. Sie bestellte sich eine große Pizza
Weitere Kostenlose Bücher