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Im Schatten des Palazzo Farnese

Im Schatten des Palazzo Farnese

Titel: Im Schatten des Palazzo Farnese Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fred Vargas
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vorhersehen.«
    »Sag mal, was trägst du da in der Hand, Tiberius?« fragte Vitelli unvermittelt und stand auf.
    »Ja, so. Das kleine Buch aus dem 15. Jahrhundert. Deswegen bin ich ja eigentlich hergekommen, ich hätte es fastvergessen. Es geht immer noch um diesen lateinischen Ausdruck, den ich nicht kenne. Sie hatten mir gesagt, Sie könnten …«
    »Verdammt noch mal, du bist verrückt, Tiberius! Vollständig verrückt! Du läufst da mit einem Wiegendruck unter dem Arm herum! Was glaubst du, wo du bist? Wer hat dir erlaubt, damit die Bibliothek zu verlassen?«
    »Maria und Skriptor Prizzi, Monsignore. Ich habe den beiden gesagt, daß ich zu Ihnen gehe. Der Skriptor war nicht in der Lage, mir bei diesem lateinischen Ausdruck zu helfen. Aber er ist auch wirklich nicht leicht.«
    »Das ist Wahnsinn! Ist dir klar, daß wir gerade in polizeilichen Ermittlungen stecken?«
    »Ich glaub das nicht so recht«, brummte Tiberius.
    »Du tätest besser daran, es zu glauben, anstatt dich um deinen lateinischen Ausdruck zu kümmern! Ich erwarte jeden Moment Richard Valence: Was meinst du, was der denkt, wenn er sieht, wie du hier lässig mit einem Wiegendruck herumspazierst, als handele es sich um einen Stadtplan?«
    »Das Buch ist nicht so selten, das wissen Sie genau wie ich. Und außerdem paß ich auf. Ich bin ja nicht blöd.«
    »Trotzdem! Ich habe noch ein paar Worte mit Prizzi und Maria Verdi zu reden. Und du, Tiberius, hör mir gut zu: Daß du dich hier wie zu Hause fühlst, ist eine Sache. Aber daß du die Vaticana als deine Privatbibliothek betrachtest, ist unerhört. Verschwinde jetzt, stell das Buch zurück und schick mir Prizzi.«
    »Ich bin ihm gestern den ganzen Tag gefolgt«, erklärte Tiberius. »Er hat Pietro Baldi im Verdacht, unseren verehrten Verleger. Er ist zu ihm gegangen.«
    »Von wem redest du, verdammt?«
    »Sie ereifern sich, Monsignore.«
    »Du treibst mich ja auf die Palme. Von wem redest du?«
    »Von Richard Valence. Ich bin ihm gestern gefolgt, während Nero hinter Ruggieris Männern her ist.«
    »Was ist denn in euch gefahren?«
    »Sie beschäftigen sich doch mit uns, warum sollten wir uns da nicht mit ihnen beschäftigen?«
    »Ist Nero auf diese glorreiche Idee gekommen?«
    »Nein, Monsignore, das war ich.«
    »Du bist mir unbegreiflich, Tiberius. Ich habe heute keine Zeit, mich um dich zu kümmern, aber wir werden dieses Gespräch fortführen, das kannst du mir glauben. Verschwinde jetzt und stell das Buch zurück, verdammt! Nach deinem lateinischen Ausdruck sehen wir später.«
    Lorenzo Vitelli sah Tiberius nach, wie er die Stufen der großen steinernen Treppe hinuntereilte. Tiberius schien sich prächtig zu amüsieren. Was war daran bloß komisch?
    »Probleme mit ihren Schützlingen, Monsignore?«
    Der Bischof wandte sich um und lächelte Valence zu.
    »Das war Tiberius, nicht wahr? Wissen Sie, daß er mich gestern den ganzen Tag begleitet hat?«
    »Ja«, erwiderte Vitelli müde. »Er hat es mir gerade gesagt und scheint sehr zufrieden mit sich zu sein. Ich verstehe das nicht … Es ist wirklich abscheulich.«
    »Machen Sie sich keine Sorgen, Monsignore. Ich mache Sie nicht für das Verhalten des Jungen verantwortlich. Sie hatten mir etwas zu sagen?«
    »Richtig. Ich habe heute nacht nicht viel geschlafen. Ich hatte eine Idee, die mir nicht aus dem Kopf ging. Heute morgen habe ich das in den Archiven überprüft. In den hinteren Regalen auf der linken Seite sind manche Kartons weniger staubig als andere. Im Benutzerbuch ist keine Ausleihe vermerkt, die diese Kartons betreffen würde. Sie werden nie bestellt. Ich habe sie geöffnet: Sie enthalten verschiedene Dinge, die nur unzureichend katalogisiert und völlig ungeordnet sind. Da könnte man alles möglichefinden. Ich habe den Eindruck, jemand hat die Stücke kürzlich durchgesehen. Wissen Sie, Monsieur Valence, ich glaube, Henri hatte recht. Ganz sicher wird in der Vaticana gestohlen.«
    Valence hatte die Handflächen aneinandergedrückt, stützte das Kinn auf die Fingerspitzen und dachte nach.
    »Haben Sie einen Plan der Bibliothek?«
    »Dort in der Schublade.«
    Lorenzo Vitelli sah Richard Valence aufmerksam an. Er hätte es sich nicht erlaubt, ihn danach zu fragen, aber er war sich sicher, ein heftiger Schmerz mußte dieses Gesicht vor gar nicht langer Zeit aufgewühlt haben. Gestern war das noch nicht zu sehen gewesen. Dabei erschien Valence genauso gelassen, genauso blaß und genauso kraftvoll. Die Augen hatten noch immer ihren etwas

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