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Im Schatten des Palazzo Farnese

Im Schatten des Palazzo Farnese

Titel: Im Schatten des Palazzo Farnese Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fred Vargas
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Ich würde ihr nie näher als auf drei Meter kommen, außer um ihr einen Mantel über die Schultern zu legen. Oder, natürlich, sie würde mich darum bitten! Und selbst in dem Fall, Monsieur Valence, selbst in dem Fall bin ich sicher, daß ich verlegen wäre, unglaublich, was?«
    Ruggieri lachte und blickte in Valences starres Gesicht.
    »Und? Hat sie Sie gebeten?« fragte Valence.
    »Worum?«
    »Sich ihr zu nähern?«
    »Aber nein!«
    »Warum reden wir dann darüber?«
    »Ach, ich weiß nicht, einfach so.«
    »Und haben Sie Lust, von ihr darum gebeten zu werden?«
    »Aber nein. Das gehört sich nicht bei Ermittlungen. Aber ich frage mich, ob sie mich vielleicht nach den Ermittlungen bitten würde …«
    »Nein.«
    »Was nein?«
    »Nein, sie wird Sie nicht darum bitten.«
    »Ach so.«
    Konnte der Typ nicht wie alle sein? Entnervt wich Ruggieri seinem Blick aus, nahm das Telefon und befahl, man möge ihm etwas zum Mittagessen bringen. Dann zog er ein Foto aus der Schublade. Beim Schließen der Schublade machte er großen Lärm. Man kann einem Blick Lärm entgegensetzen, manchmal klappt das.
    »Da! Ein Foto von Madame Valhubert bei der Identifizierung der Leiche … Ziemlich gelungen, nicht wahr?«
    Valence schob das Foto mit der Hand zurück. Auch er war genervt. Er stand auf, um zu gehen.
    »Möchten Sie nicht wissen, was wir heute morgen herausgefunden haben?« fragte Ruggieri.
    »Ist es entscheidend? Oder handelt es sich immer noch um Ihr amouröses Erstaunen?«
    »Es ist etwas ganz Fundamentales. Aus Neugier habe ich mich nach dem Freundeskreis der drei Kaiser erkundigt. Darunter ist eine junge Frau, die sie regelmäßig treffen, sie heißt Gabriella.«
    »Ja, und?«
    »Gabriella Delorme. Sie ist die leibliche Tochter von Laura Valhubert, geborene Laura Delorme.«
    Man sah es kaum, aber Valence war getroffen. Ruggieri sah, wie sein Adamsapfel zuckte.
    »Was sagen Sie dazu?« fragte er lächelnd. »Möchten Sie eine Zigarette?«
    »Ja. Fahren Sie fort.«
    »Gabriella ist also schlicht die Tochter von Laura Valhubert und wurde als Kind eines unbekannten Vaters sechs Jahre vor der Heirat ihrer Mutter geboren. Ich habe das alles im Geburtenregister überprüft. Laura Delorme hat das Kind anerkannt und es in, offen gestanden, recht luxuriösen Heimen und Internaten aufziehen lassen. Als sie nach Paris ging, hat sie die Vormundschaft über die kleine Tochter inoffiziell einem Freund übertragen, einem Priester, der so nett war, ihr zu helfen.«
    »Einem Priester, der später Monsignore wurde und Lorenzo Vitelli heißt, vermute ich?«
    »Treffer. Um fünf sind wir mit ihm im Vatikan verabredet.«
    Von Valences Undurchdringlichkeit verunsichert, ging Ruggieri mit großen Schritten im Zimmer umher.
    »Kurz gesagt«, fuhr er fort, »Laura Delorme hat dieses uneheliche Kind sehr früh bekommen. Sie hat es sechs Jahre lang so gut es ging verborgen und anläßlich der unerwarteten Heirat mit Henri Valhubert ihren treuen Freund damit beauftragt, sie abzulösen. Denn ganz gewiß hätte Valhubert die Heirat annulliert, wenn er davon erfahren hätte, das ist normal.«
    »Wieso normal?«
    »Ein Mädchen, das mit neunzehn ein Kind ohne Vater bekommt, legt nicht gerade ein hohes Maß an Sittlichkeit an den Tag, finden Sie nicht? Auf jeden Fall ist es kein gutes Zeichen für die Zukunft. Da zögert man schon, sie zu heiraten, vor allem, wenn man Valhuberts gesellschaftliche Stellung hat.«
    Valence klopfte langsam mit den Fingern auf die Tischkante.
    »Zum anderen,« fuhr Ruggieri fort »gibt einem das gehörig zu denken, was Monsignore Lorenzo Vitellis Vorstellungenvon einem christlichen Gewissen angeht. Das Mädchen und ihr Kind zu schützen und ihr zu helfen, dem Gatten, angeblich ja sein Freund, jahrelang die Wahrheit zu verschweigen, ist schon etwas seltsam für einen Priester, nicht?«
    »Lorenzo Vitelli erweckt nicht den Eindruck, ein gewöhnlicher Priester zu sein.«
    »Das befürchte ich.«
    »Das schätze ich.«
    »Wirklich?«
    Da Valence nicht antwortete, kehrte Ruggieri an den Schreibtisch zurück und wagte es, ihm direkt ins Gesicht zu sehen.
    »Wollen Sie damit sagen, daß Sie sich an der Stelle des Bischofs genauso verhalten hätten?«
    »Ruggieri, versuchen Sie, auch mein moralisches Verhalten zu testen, oder versuchen Sie den Fall zu lösen?«
    Nein, ganz entschieden, diesem verdammten Blick konnte man nicht standhalten. Valence hatte die Lippen zusammengepreßt, und sein Gesicht war starr. Wenn er kurz den Blick aus

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