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Im Schatten des Palazzo Farnese

Im Schatten des Palazzo Farnese

Titel: Im Schatten des Palazzo Farnese Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fred Vargas
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liefern. Plötzlich spürte er, wie seine Beine einknickten, und er stützte sich gegen eine Wand. Er hatte Hunger, ganz entschieden.

22
    Die drei jungen Männer waren in der Nacht ebenfalls draußen auf der Straße. Tiberius lag, die Hände im Nacken verschränkt, Claudius saß neben ihm, Nero stand.
    »Soll ich dir Kühlung zufächeln?« schlug Nero sanft vor.
    »Nero«, entgegnete Tiberius, »warum mußt du immer so schwierig sein?«
    »Ich mag es nicht, dich mitten in der Nacht auf dem Bürgersteig liegen zu sehen, den blöden Blick zu den Sternen gerichtet. Es kommen Leute vorbei und starren dich an, stell dir vor. Und du erinnerst nicht im geringsten an eine schöne antike Statue, glaub mir. Eher an einen gänzlich Zerstörten.«
    »Wenn ich dir doch sage, daß ich ein toter Mann bin«, sagte Tiberius.
    »Nero, hörst du denn nicht, was er sagt?« fragte Claudius. »Er stellt sich tot, er stellt sich tot, das ist alles! Du brauchst ihm nicht zuzufächeln, laß ihn in Frieden, verdammt.«
    »Konnte ich doch nicht ahnen, daß er sich totstellt«, wandte Nero ein.
    »Aber das sieht man doch«, entgegnete Claudius. »Das ist doch kein Hexenwerk.«
    »Gut, also wenn er tot ist, ändert das alles. Wie lange dauert die Totenwache?« fragte Nero und setzte sich auf der anderen Seite von Tiberius’ ausgestrecktem Körper auf den Boden.
    »Das hängt von ihm ab«, sagte Claudius. »Er muß nachdenken.«
    Nero entzündete ein Streichholz und besah sich Tiberius aus nächster Nähe.
    »Es sieht aus, als würde es ein ganzes Weilchen dauern«, schloß er.
    »Zwangsläufig«, sagte Claudius. »Laura wird zurückfahren. Sie wird verurteilt werden und ins Gefängnis kommen.«
    »Der Sonderbeauftragte?«
    Claudius nickte.
    »Irgend etwas kommt heute abend hoch«, fuhr Claudius fort. »Es schwitzt aus, es kriecht bis an die Kehle hoch und schnürt einem alles ab. Lauras Ende bahnt sich an, und alle haben Angst und verkrampfen sich. Wenn wir mit Tiberius’ Totenwache fertig sind, werde ich mich ebenfalls totstellen, und du mußt dann deinerseits bei mir Totenwache halten, Nero.«
    »Und ich? Wer wird bei mir Totenwache halten? Werde ich schließlich ganz allein wie ein Idiot mit ausgebreiteten Armen auf dem Bürgersteig liegen? Warum nicht auf einem Misthaufen?«
    »Haltet die Klappe«, sagte Tiberius.

23
    Laura betrat sehr ruhig das Hotel und erklärte, Richard Valence sei über ihren Besuch informiert und erwarte sie. Der Nachtportier wunderte sich, denn es war bereits halb zwei Uhr morgens und Valence hatte keine diesbezügliche Anweisung gegeben. Trotzdem nannte er ihr die Zimmernummer und ließ sie hinaufgehen.
    »Aber ich glaube, er schläft«, fügte er immerhin noch hinzu.
    Seit ihrem Gespräch mit Tiberius im »Garibaldi« war Laura ganz damit beschäftigt, wie sie es anstellen würde, Richard Valence zu finden. Sie kannte die Zimmertüren des Hotels, in dem sie häufig übernachtet hatte, bevor sie ins »Garibaldi« gewechselt war. Sie waren von sehr leichter Bauart, man konnte sie mit der Spitze eines Taschenmessers öffnen. Doryphorus’ Lektionen würden sich dabei als höchst nützlich erweisen. Der Doryphorus kannte sich mit Schlössern ebensogut aus wie mit Klempnerarbeiten.
    Als sie das Zimmer betrat, lag Valence angezogen auf dem Bett. Er hatte nur das Jackett ausgezogen und die Krawatte gelockert, bevor er eingeschlafen war. Ungefähr so hatte sie sich das Zusammentreffen vorgestellt. Aber sie hatte nicht darüber nachgedacht, was danach geschehen würde, wie sie sich weiter verhalten würde. Jetzt stand sie in dem dunklen Zimmer, ohne recht zu wissen, was sie tun sollte. Sie ging zum Fenster, blieb dort eine Viertelstunde stehen und sah in die römische Nacht hinaus. Tiberius’ Bericht hatte ihr einen richtigen Schock versetzt. Valence war es gelungen, fast allesherauszufinden, und sie war umzingelt. Warum, verdammt noch mal, war er so weit gekommen? Es war so traurig.
    Laura seufzte, wandte sich vom Fenster ab und sah ihn an. Ein Arm hing vom Bett herunter, die Hand berührte den Boden. Früher hatte sie seine Hände geliebt. Jetzt waren es, wie Tiberius gesagt hätte, Zerstörerhände geworden, und sie wußte nicht, was sie dagegen hätte machen können. Sie setzte sich auf den Bettrand, die Arme vor dem Bauch verschränkt. Selbst schlafend machte er keinen harmlosen Eindruck. Sie hätte gern etwas getrunken. Das hätte ihr bestimmt Mut für den Augenblick gemacht, in dem er erwachen würde und für den

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