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Im Schatten des Palazzo Farnese

Im Schatten des Palazzo Farnese

Titel: Im Schatten des Palazzo Farnese Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Fred Vargas
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schließlich irgendwann in sich zusammenfallen«, erklärte er.
    »Und warum?«
    »Ich weiß es nicht.«
    Richard Valence hob den Blick. Tiberius stand ihm gegenüber,das Gesicht von tiefem Schmerz gezeichnet. Der junge Mann hob die Hand und versetzte Valence eine heftige Ohrfeige. Dann sah Valence ihn schwanken, ihm den Rücken zudrehen und sehr schnell in der hereinbrechenden Nacht wegrennen. Was mochte Kaiser Tiberius jetzt wohl tun?
    Valence zog seine Krawatte fester und schloß das Jackett. Es war etwas kühl geworden. Schade, daß er Tiberius’ Gesicht so verwüsten mußte. Tiberius wußte sehr gut, daß er recht hatte. Er hatte Laura nicht einmal richtig verteidigt, nur der Form halber. Tiberius wußte das mit Gabriella, er wußte das mit dem Doryphorus und der Unterwelt, vielleicht wußte er sogar, daß Laura sich bei ihrem letzten Aufenthalt beschattet gefühlt hatte. Deshalb war er so beunruhigt, als er merkte, wie Valence sich in die Ermittlungen einmischte, deshalb seine unaufhörliche Überwachung in der Absicht, sich zwischen Laura und ihn zu stellen. Es hatte nichts genutzt, im Gegenteil. Valence beschloß, nicht mehr daran zu denken. Er mußte die Sache beenden. Er sollte mit Gabriella reden. Um zehn Uhr war das junge Mädchen sicherlich noch nicht zu Bett gegangen. Er lief ohne Eile und ignorierte die vorbeifahrenden Taxis.
    Gabriella war nicht allein. Richtig, es war Freitag. Neben ihr stand groß, streng und mit verschränkten Armen Monsignore Vitelli und rührte sich nicht, als Valence den Raum betrat.
    »Tiberius ist gerade gegangen, Monsieur Valence. Er war auf der Suche nach Laura«, sagte der Bischof.
    »Das heißt, er hat Ihnen von unserem Gespräch erzählt?«
    »In zwei Worten. Es ist schändlich.«
    »Daß Madame Valhubert ihren Mann umgebracht hat?«
    »Nein. Sie, Sie sind schändlich. Täusche ich mich, oderbestand Ihr Auftrag, als Sie nach Rom kamen, nicht darin, die Wogen zu glätten? Und Ihrem Minister Ihre Schlußfolgerungen persönlich zu überreichen?«
    »Das ist richtig.«
    »Haben Sie also beschlossen, Ihre Karriere aufs Spiel zu setzen?«
    »Möglich.«
    »Wegen einer Frau?«
    »Nein. Wegen der Wahrheit. Das dürfte klar sein, nicht wahr?«
    »Nicht so sehr, finde ich. Findest du, Gabriella, meine Liebe, daß dieser Mann sich klar ausdrückt?«,
    Gabriella verzog zweifelnd das Gesicht, Valence hatte den Eindruck, sie spielten ihm etwas vor, um ihn zu verwirren. Beide waren sie ironisch und entspannt, was er nicht erwartet hatte.
    »Es ist ganz offensichtlich«, sagte der Bischof, während er sich an Gabriella wandte und Valences Anwesenheit zu vergessen schien. »Dieser Mann schmeißt seine Karriere nicht der Wahrheit wegen hin. Die Wahrheit ist nur ein Wort, es bedeutet nichts. Er schmeißt sie natürlich einer Frau wegen hin, um das Ende dieser Frau zu erleben, und um dieses Ende persönlich zu bewirken. Das gibt es, seitdem die Welt sich dreht. ›Zu sehn, wie den Römer ereilt sein Geschick, ich allein daran schuldig – ich stürbe vor Glück‹, oder etwas dieser Art. Er will die Frau kaputtmachen, das heißt, er kann nicht mehr anders, als sie kaputtmachen zu wollen. In Wirklichkeit hat der Mann die Kontrolle über sich verloren, verstehst du, Gabriella. Er wird von seinem Trieb getragen wie Knüppelholz auf einem Fluß, der Hochwasser führt. Man bemerkt es nicht, aber er ist außer sich. Es gibt so Leute, bei denen man das nicht sieht. Das ist interessant. So ist er, seitdem ich ihn das zweite Mal im Vatikan gesehen habe, bleich und schweigsam.Und da waren auf diesem Gesicht schon die Strudel des Flusses zu sehen, der ein tragisches Hochwasser zu führen begann, und die Spuren einer beginnenden Flucht. Enervierend, nicht wahr, Monsieur Valence, wenn zwei Menschen anfangen, Sie zu kommentieren, als wären Sie nicht anwesend?«
    »Das ist mir egal«, erklärte Valence.
    »Natürlich. Siehst du, Gabriella, der Mann ist nicht zu beeindrucken. Er ist von ziemlich besonderer und alles in allem schöner Art. Aber seine Geschichte ist eigentlich sehr einfach, wie alle großen Geschichten. Muß man sie erzählen?«
    »Ist es die Soutane, die Ihnen das Recht und den Dünkel verleiht, über andere zu schwadronieren, Monsignore?« fragte Valence gelassen und schenkte sich ein.
    »Nein, es ist die lange Praxis in den Beichtstühlen. Sie ahnen nicht, in welchem Maße die Menschen dort immer von derselben Sache reden.«
    »Wenn Sie im Herzen all dieser schlichten Menschen so klar

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