Im Schatten des Palazzo Farnese
einem kleinen Kocher.«
»Wo hast du ihn zubereitet, Laura? Bei dir zu Hause?«
»Nein. Beim Schlangestehen am Flughafen. Ich habe die Frau am Schalter um eine Schale und einen Stößel gebeten. So etwas ist leicht aufzutreiben.«
»Versuchst du, mich zu nerven, Laura?«
»Aber nein, ich versuche verzweifelt, dir zu helfen. Ich bemühe mich nach Kräften, herauszufinden, wo ich bloß diesen Mistschierling habe auftreiben und zubereiten können. Das Ärgerliche ist, daß ich mir nicht sicher bin, ob ich den Unterschied zwischen Schierling und Kerbel erkennen würde. Ist Henri nicht vielleicht an einer Magenverstimmung durch Kerbel gestorben?«
»Jetzt bist du wirklich betrunken«, erklärte Richard und klappte heftig die Akte zu.
»Jetzt ist es durchaus möglich. Das ändert aber nichts daran, daß dieser Mistschierling ziemlich unangenehm ist, findest du nicht?«
»Nein.«
Laura stand auf und griff nach der Akte. Sie blätterte sie vage mit einer Hand durch, während sie mit der anderen ihr Haar aus dem Gesicht strich. Seufzend ließ sie die Blätter auf den Boden fallen.
»Was für ein Blödsinn, Richard«, sagte sie. »All diese Zeilen, eine unter der anderen, wie erbärmlich. Verstehst du denn nichts? Merkst du denn nichts?«
Jetzt kamen die Tränen. So sind die Frauen eben, dachte sie flüchtig. Sie rieb ihre Nasenwurzel, um die Tränen zu unterdrücken.
»Verstehst du denn nichts? All diese Abscheulichkeiten? Dieses Flugzeug, der Hin- und Rückflug in einer Nacht? Der Schierling? Dieser widerliche Mord wegen einer Geldgeschichte? Begreifst du denn gar nichts?«
Die Tränen hinderten sie daran, normal zu reden. Sie mußte schreien:
»Was hast du mir da angehängt, du Dreckskerl? Du hast mir eine Ladung Blut aufgehalst und willst jetzt, daß ich sie dir bis zum Gericht schleppe? Verstehst du denn nicht, daß ich Henri nicht angerührt habe? Daß ich niemals irgendeinen Menschen angerührt habe? Gabriella versteckt, ja, den Wunderkoffer, ja, all das, alles, was du willst! Aber nicht der Schierling, Richard, nicht der Schierling! Du bist ein einziger mieser Scheißkerl, Richard. Samstag abend habe ich die Lampen programmiert, ja, und ich bin in der Nacht nicht mehr nach Hause gekommen, ja. Aber ich war nicht in Rom, Richard, nicht in Rom! Schließlich mußte ich die Hehler warnen, jetzt wo Henri im Begriff stand, unser Ding auffliegen zu lassen. Ich bin die ganze Nacht herumgefahren, um ihnen zu sagen, daß sie aufpassen sollen. Erst morgens bin ich wieder zurückgekommen. Und dann hat man mich angerufen, um mir zu sagen, daß Henri umgebracht worden ist. Ist dir denn nicht klar, daß ich unfähig bin, Schierling in einem Radieschenbeet zu finden? Mir ist dieser Schierling scheißegal! Scheißegal!«
Laura suchte nach einem Sessel, ließ sich hineinfallen und verbarg ihr Gesicht in den Armen. Richard Valence sammelte die auf dem Boden verstreuten Blätter ein.
»Glaubst du mir?« fragte sie.
»Nein.«
Laura hob den Kopf und fuhr sich über die Augen.
»Ganz recht, Richard. Sammel deinen ›Fall Valhubert‹ nur ordentlich wieder ein. Bring alles wieder schön in Ordnung und schick es den Bullen. Und dann fahr, aber fahr auch wirklich, verdammt, fahr!«
Sie stand auf. Ihre Atembeklemmung hinderte sie, gerade zu gehen. Sie suchte die Tür.
»Bringst du das alles morgen früh zu deinem kleinen Scheißbullen?«
»Ja«, antwortete Valence.
»Als du dich vor zwanzig Jahren verdrückt hast, hab ich geschrien. Jahrelang habe ich mich darauf konzentriert, dein Bild nicht zu verlieren. Und als ich dir neulich abend begegnet bin, war ich ergriffen. Jetzt wünsche ich, daß du deine miese Akte abgibst, ich wünsche, daß du fährst, und ich wünsche, daß das Leben dafür sorgt, daß du vor Überdruß deine Seele aushauchst.«
Valence sah ihr nach, wie sie den Flur bis zur Treppe hinunterging und dann die erste Stufe verfehlte. Er lächelte, machte die Tür wieder zu und schloß sie diesmal zweimal ab. Er hatte es immer gemocht, wenn Laura betrunken war. Das steigerte noch die vage Lässigkeit ihrer Bewegungen. Bereits in nüchternem Zustand gelang es ihr, den Eindruck zu erwecken, sie sei leicht angetrunken. Er hätte sie besser begleiten sollen, aber sie hätte es abgelehnt, und er hatte im Moment auch nicht daran gedacht.
Er bedauerte diese Auseinandersetzung mit Laura nicht. Eine Stunde lang hatte er sie sehr bewundert, ohne Verwirrung, als beschaulicher Betrachter von Haltungen, deren
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