Im Schatten des Pferdemondes
nach. »Und ich mache Ihnen einen Proviantkorb zurecht. Ist Ihnen das recht?«
Die Blicke der beiden sagten mehr als Worte.
»Sir Lancelot ist wirklich ein beeindruckendes Pferd«, sagte Elaine. »Ich meine, er ist nicht nur unglaublich schön, und dazu noch ein Genie ... er hat einfach eine Ausstrahlung, die mich verblüfft, wissen Sie. Als ich vor ihm stand, hatte ich für einen Augenblick das Gefühl, etwas würde mich von den Füßen reißen.« Ihre Augen wanderten gegen den Himmel und dann wieder zu Eric. »Gibt es Worte, um so etwas zu erklären?«
»Vielleicht. Ich habe sie nicht. Aber wenn Sie es spüren können, Elaine, dann sind Sie etwas Besonderes. Die wenigsten Menschen können das.«
Sie betrachtete ihn und sagte: »Auch Solitaire ist etwas Besonderes.«
»Ja. Ja, das ist sie.«
»Ihr Job ist sicher nicht leicht.«
»Nicht unbedingt.«
»Aber er macht Ihnen Freude.«
»Es ist gut, helfen zu können.«
Sie goß ihm Wein nach. »Ja, ich weiß, was Sie meinen.« Sie dachte dabei an endlos scheinende Einsätze, an dreißig, fünfunddreißig Stunden Arbeit ohne Schlaf – aber er hatte recht, es war gut, es war unerhört gut, helfen zu können. Nachdenklich nippte sie an ihrem Glas. »Haben Sie die Absicht, das Ihr Leben lang zu machen?«
»Wie sieht's bei Ihnen aus?«
»Sie sind nicht fair. Ich hab zuerst gefragt.« Das schelmische Lächeln zauberte das Grübchen in ihre rechte Wange und ließ es tanzen.
»Stimmt.«
Sie sah ihn an. Er war müde, und sie respektierte die Müdigkeit eines anderen. Sie kannte diese abgrundtiefe Müdigkeit aus eigener Erfahrung gut genug, um sie zu respektieren, aber sie wollte nicht, daß er ihr gerade jetzt entglitt.
»Keine Spielchen, Eric, bitte. – Wollen Sie das Ihr Leben lang machen?«
Irgendwann wirst du es nicht mehr können. Irgendwann wirst du zu alt sein dafür. Irgendwann kommt ein junges Pferd daher wie Solitaire, krank vor Angst, und schlägt dich nieder, bevor du es auf deine subtile Weise erreichen kannst.
»Ganz sicher nicht.« Er streckte sich aus, und ihr entschlüpfte ein unhörbarer Seufzer. »Und was wollen Sie?«
Er zuckte aus seiner Schläfrigkeit auf, zögerte und trank einen Schluck Wein. Er sah sie forschend an. Und dann, in der spätsommerlichen Pracht der marchairs, gaben seine Barrieren nach, und er sprach zum ersten Mal in seinem Leben zu einem anderen Menschen von seinem Traum.
»Irgendwo?« sagte Elaine nach einer Weile. »Es wäre Ihnen gleich, wo Sie Ihr Gestüt haben?«
»Guter Boden. Gute Pferde. Das zählt.«
»Ja.« Nachdenklich zeichnete sie Muster auf die Erde. »Ich verstehe.« Ihr Blick verlor sich im Himmel und in der großartigen Küstenlandschaft um sie herum. »Ich bin wohl hoffnungslos ... nun, was auch immer, aber ich würde dieses Land niemals verlassen. Es gehört zu mir. Und ich zu ihm.«
Dieser umherschweifende, sprechende Blick offenbarte sie ihm. Er mußte sich räuspern, ehe er sagen konnte: »Ich kann das verstehen.«
»Tatsächlich?«
»Gewiß.« Er erkannte Liebe, wenn er sie sah; und sah auch die Konsequenzen, die sich daraus ergaben. Er räusperte sich erneut und fuhr scheinbar ruhig erklärend fort: »Für die Pferdezucht wäre allerdings ... sehen Sie, Elaine, die Herde der Fargus' ist wirklich großartig, aber sie läuft über ein riesiges Gelände, und ich bin nicht bereit, mehrere Morgen mageren Landes zu pachten oder sogar zu kaufen, um auf eher unergiebigem Land meine Pferde zu weiden. – Irland ist mit seinen fetten Wiesen viel besser geeignet. Die Gegend um Connemara ist sehr gut. Oder auch Kent, unten in England.«
Ihr Blick verdunkelte sich, aber sie nickte. »Sie werden dann nicht mehr sehr lange hier sein, nicht wahr?«
Er mußte schlucken, ehe er seine Stimme beherrschen konnte. »Das ist abzusehen.« Auf einmal fühlte er sich niedergeschlagen und unsagbar müde.
Seine Augenlider wurden schwer. Elaine sah, wie es in seinem Gesicht zuckte, als er versuchte, wach zu bleiben, und wie das Weinglas bedenklich in seiner Hand schwankte; dann übermannte ihn endgültig die Müdigkeit. Sie nahm behutsam das Glas aus seiner Hand, streifte ihre dünne Bluse ab, und legte sie über sein Gesicht.
Die Sonne verbrannte ihre letzten kraftvollen Strahlen gerade über dem Küstenausläufer, auf dem sie ihr Picknick veranstaltet hatten, und es war nicht ausgeschlossen, daß er trotz seiner Bräune einen Sonnenbrand bekam. Elaine saß in ihrem ärmellosen Shirt im Schneidersitz auf der Decke und holte nachdenklich eine
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