Im Schatten des Pferdemondes
einmal gehört, aber aus weiterer Ferne als jetzt; es war Excaliburs Herausforderung. Und dieser Ruf wurde von einem ganz ähnlichen beantwortet. Er erbleichte und stand rasch auf. »Oh, nein, bitte nicht!«
»Klingt, als kämen sie auf uns zu.«
Seite an Seite erklommen sie den Abhang, und auf der weiten Wiese, auf der Wolf damals verschwunden war, kam ihnen der Pulk der Zuchtstuten von Sunrise entgegen. Excalibur umkreiste sie und bannte sie an eine Stelle wie in eine unsichtbare Koppel. Imponierend baute sich seine königliche Gestalt, schwarz vor dem Silberglanz des Mondes, dann vor seinen Stuten auf, den Kopf hoch erhoben.
»Er wittert etwas, nicht wahr?« wisperte Elaine.
Eric nickte. Er konnte nicht sprechen. Er wartete angstvoll.
Der Rote reckte den Kopf nach allen Seiten und scharrte, daß die Erde aufgerissen wurde. Dann hob er sich auf die Hinterhand und wieherte erneut. Wie aus dem Boden gewachsen tauchten aus der Richtung des Hauses zwei Pferde auf der Hügelkuppe auf, und Eric griff sich stöhnend an die Stirn. »Oh, nein!«
Atemlos beobachtete er, wie Sir Lancelot sich von der grazilen Silhouette der Stute löste, mit raumgreifenden Schritten auf die Herde zutrabte und etwa hundert Meter vor ihr verharrte. Er warf den Kopf auf: Auf diesen Kampf hatte er lange gewartet. Seit dem ersten Morgen auf Sunrise, seit der Herausforderung Excaliburs, hatte er danach verlangt. Nun war die Zeit gekommen.
Seine seither noch um einiges stärker gewordenen Muskeln bebten erwartungsvoll, Hitze strömte in seinen Adern, erwartungsvolle Schauer rieselten in ihm und verursachten ein Beben unter seiner Haut: Er war bereit.
Excalibur empfing diese Kraft über die Entfernung hinweg. Er sog sie mit weit vorgestrecktem Kopf und gierigen Nüstern ein. Sein rechter Vorderhuf stampfte den Boden. Ein tellergroßes Grasstück wurde in die Luft geschleudert und fiel mit einem dumpfen Laut in die atemlos drückende Stille, hinein in das unheimliche Schweigen und angespannte Warten der vom Vollmond durchschauerten Nacht. Er gab keinen Laut von sich, blieb ebenso unbeweglich wie sein Widersacher. Seine Hitze wollte ihn vorwärts drängen, doch sein kühler, scharfer Verstand riet ihm, sich ruhig zu verhalten.
Abschätzend musterten sich die Gegner, der goldene und der rote Hengst. Sie waren völlig unbeweglich, wie aus Stein gemeißelt. Stumm nahmen sie Maß.
Eric rannte los.
Es war zu spät. Als sei ein unhörbarer Befehl an beide Hengste zugleich ergangen, stürmten sie mit hoch aufgereckten Köpfen, steil aufgestellten Schweifen und unheilvoll donnernden Hufen aufeinander los und hatten sich schon auf die Hinterbeine gerissen, gegeneinander schnappend und schlagend, bevor Eric sie erreichen konnte. Er mußte zurückspringen, als Excalibur sich blitzschnell fallen ließ, herumwirbelte und mit der mächtigen Hinterhand gegen Sir Lancelots Kopf zielte. Der Schlag verfehlte sein Ziel nur knapp; Lance stieß einen wütenden Schrei aus, vollführte eine nahezu unmögliche Drehung, die seinen Gegner irritierte, und hämmerte mit den Vorderhufen auf Excaliburs Rücken ein. Blutige Flecken zeigten sich auf dem rotgoldenen Fell. Wieder schlug Excalibur aus. Er traf Sir Lancelots Brust und ließ ihn taumeln. Eric hatte seinen Gürtel gelöst und warf sich mitten zwischen die gegeneinander tobenden Hengste und teilte mit dem Leder Hiebe nach allen Seiten aus. Keiner der beiden schien es überhaupt zu fühlen, sie nahmen weder ihn, die Schläge, noch seine Stimme wahr. Als sich beide erneut aufbäumten, traf ihn ein hämmernder Vorderhuf. Wie in einem dichten Nebel ging er nieder und versuchte, aus der Gefahrenzone zu kriechen, als er plötzlich Hände fühlte, die ihn kraftvoll packten und ihm halfen, sich über das Gras zu schleppen, bis er außer Reichweite der Kämpfenden war. »Die bringen sich um«, ächzte er. Elaine nahm sein Gesicht in ihre Hände. »Sie können nichts tun. Es war Wahnsinn, was Sie da eben versucht haben.«
»Nein, ich muß!« Er versuchte sich aufzurichten, aber seine Beine wollten ihm noch nicht wieder gehorchen. Schwer atmend starrte er wie durch graue Wolken auf die Pferde, die zwei Naturgewalten gleich gegeneinander prallten. In einer präzis berechneten Wendung von unbeschreiblicher Grazie waren die Hengste auseinandergestoben, als sie sich aus dem Wirbel der gegnerischen Hufschläge befreit hatten. Jetzt stürmten sie wieder aufeinander los. Ihre auf die Hinterbeine erhobenen Körper krachten mit dumpfem Donner
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