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Im Schatten des Pferdemondes

Im Schatten des Pferdemondes

Titel: Im Schatten des Pferdemondes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Evita Wolff
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zu ersparen. Lautlos schlüpfte sie näher. Kein Indianer hätte sich vollendeter über das raschelnde Stroh anpirschen können. »Einfühlungsvermögen ist kein Trick«, sagte sie. »Zu wissen, was im geeigneten Moment zu tun ist, ist kein Trick. Und Durchsetzungsvermögen ist auch kein Trick.« Ihre Stimme war mit jedem Schritt leiser geworden, damit er nicht merkte, wie sie sich heranschlich. Noch immer verdrehte er sich, um sie nicht ansehen zu müssen; aber er wußte nicht, daß sie den Standort gewechselt hatte. Als sie über Lances Rücken reichte und ihre Hand auf seine Schulter legte, traf sie auf den Blick geweiteter Augen, die Entsetzen zeigten. Sofort wandte er wieder das Gesicht ab. Aber unter dem Licht der von der Decke herabstrahlenden starken Lampe hatte sie genug gesehen. Sie schlüpfte unter Sir Lancelots Hals hindurch auf seine Seite. »Lassen Sie mich das ansehen, Eric.« – »Es ist nichts«, wehrte er ab. »Es passiert nicht zum ersten Mal.«
Sie fing sein Gesicht ein, vorsichtig, und schob das Haar fort. »Es ist eine Schnittwunde. Glücklicherweise nicht tief. Es muß ein Hufrand gewesen sein, der Sie erwischt hat, aber es war wohl mehr ein Streifen; immerhin aber stark genug, um Sie umzuwerfen und das hier zu verursachen. Aber Sie haben so dichtes Haar; im Mondlicht konnte ich es nicht erkennen. Lassen Sie sehen.« Widerwillig hielt er still. Es quälte ihn, sie so dicht vor sich zu haben und sie nicht berühren zu dürfen.
»Ich möchte das versorgen. Haben Sie ein Desinfektionsmittel, Heilsalbe, Pflaster?«
»Ja.«
Sie versuchte einen kleinen Scherz. »Ich hoffe, Ihre Medikamente sind auch für Menschen geeignet.«
»Manche meinen ohnehin, ich sei ein halbes Pferd. Kein Grund also, sich zu sorgen.«
    Im Haus der Hickmans war es bereits dunkel. Eric schloß die Tür nahezu lautlos auf und bedeutete Elaine die Stufen der Wendeltreppe, die quietschende Stellen hatten. Wolf brauchte keine Anweisung. Er war neben ihnen wie ein Gespenst, stumm und lautlos. »Ich bringe Ihnen frische Bettwäsche«, flüsterte Eric. »Sie können mein Zimmer haben, es ist groß und gemütlich. Ich werde den kleinen Gästeraum nehmen.«
    »Ich nehme den kleinen Gästeraum«, sagte sie fest. »Ich will Sie nicht aus Ihrem Zimmer vertreiben. Und jetzt werde ich mich um Ihre Verletzung kümmern.«
    »Es ist doch keine Verletzung!«
»Würden Sie das bei einem Ihrer Pferde auch sagen?« »Nein«, mußte er eingestehen. »Aber ich brauche jetzt eine
    Dusche.«
    Als er barfüßig und in Pyjama und Morgenmantel wieder vor ihr stand – ein Anblick, der ein kleines Lächeln über ihr Gesicht zauberte –, sagte sie: »Haben Sie vielleicht auch einen Pyjama für mich? Ich war nicht auf eine Übernachtung vorbereitet, wissen Sie?«
    »Oh, sicher.« Er grub im Kleiderschrank und reichte ihr einen Pyjama. »Sie werden darin ertrinken.«
»Macht nichts. – Wo sind Ihre Medikamente?«
»Gleich hier, in der Tasche.«
»Ich werde Sie gleich versorgen.«
»Aber nein. Eigentlich kann ich das selbst.«
Zwei dunkle Augenpaare bohrten sich ineinander. Beide wußten, was diese Blicke bedeuteten. Und beide wußten, daß es nicht von Dauer sein durfte.
»Gehen Sie nur duschen. Ich habe frische Handtücher für Sie rausgelegt.« Seine Kehle war so eng, daß er Mühe hatte, die Laute hervorzubringen. »Und ich habe einen Spiegel hier. Ich komme schon zurecht.«
»Ja. Dann – gute Nacht.«
»Gute Nacht.«
Es war eine qualvolle Nacht. Der Vollmond quälte ihn; aber es war vor allem sein Verlangen, das durch seine Träume jagte und ihm keine Ruhe ließ. Sie war ihm so nah! – Und dennoch unerreichbar. Er hatte ihre Entscheidung zu respektieren. Er tat es, weil er sie achtete und weil – er sie liebte.
    Claire zeigte keine Überraschung, als Elaine zum Frühstück erschien. »Hatten Sie einen netten Abend, Elaine? Haben Sie gut geschlafen? Möchten Sie Rührei? Lieber Kaffee oder Tee? Sie haben doch noch ein bißchen Zeit?«
    »Heute muß ich nicht arbeiten, Claire.«
»Oh, das ist schön!« Claire strahlte sie an.
»Ich wollte eigentlich nicht hier übernachten, wissen Sie,
    aber es war spät, und Eric sagte, es sei Platz –«
»Völlig in Ordnung, meine Liebe.«
»Ich bezahle natürlich dafür.«
Claire prustete empört. »Sie reden wie Eric. Setzen Sie
    sich! Und sagen Sie so was nie wieder! – Sie haben ihn gesund gemacht. Sie haben mich zu ihm gelassen, als es ihm schlecht ging. Wie könnte ich Geld von Ihnen verlangen!«
    Auch

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