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Im Schatten des Pferdemondes

Im Schatten des Pferdemondes

Titel: Im Schatten des Pferdemondes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Evita Wolff
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rückte er näher. »Und war das ernst gemeint, was du vorhin am Telefon gesagt hast?«
Sie legte ihre Hände auf seine Schultern. »Ganz ernst, Eric.«
»Dir ist nicht kalt hier?«
»Aber nein.« Sie zitterte ein wenig, aber das hatte nichts mit der Temperatur zu tun.
»Es kann niemand hier herein, weißt du. Der Riegel ist vorgelegt.«
»Ja.« Sie legte einen Finger über seine Lippen, während er sprach, um ihre Bewegung zu fühlen.
»Ich habe Decken ausgelegt in der Nachbarbox, mehrere Schichten. Das Stroh wird nicht stechen.«
Sanft hob er sie auf.
    Juanita preßte ihr Ohr gegen die Wand. Nie ließen sie sie teilhaben an ihren Plänen. Ihr wurde nur gesagt, was sie zu tun hatte. Durch den bröckelnden Mörtel der Mauer vernahm sie Gesprächsfetzen: »... immer da ... Hund ... auf seiner Seite, verfluchter Köter ... tagsüber ... nicht möglich ... zu gefährlich.«
    »Nur Geduld«, hörte sie die Stimme ihres Vaters. »Wir müssen abwarten.« Stille folgte, in der er wohl eine seiner großen Gesten machte. Dann brach zustimmendes Gelächter aus. Juanita kauerte sich angstvoll zusammen.
    Sie erinnerte sich an die massiven Vorhängeschlösser, die seit einigen Tagen schon in einer der Küchenschubladen lagen.

26

    Der Frühling kam in diesem Jahr wie ein Eroberer. Über Nacht brachte er lauen Wind und sanft wärmende Luftmassen mit, die die Erde liebkosten und ihr dichtes Gras und die ersten zarten Blumen
    entlockten. Noch ein wenig schüchtern zwitscherten Vögel auf den kahlen Bäumen. Das Land erwachte.
    Solitaire bummelte mit gesenktem Kopf über die Koppel und naschte an den ersten zarten Grasspitzen. Der weiche Wind streichelte unter ihrer Mähne entlang, zupfte an den noch vereinzelt stehenden Büscheln ihres Winterfells und koste ihren Leib. Sie war schon recht stark. Seltsam nahm sich dieser große Leib an ihrem zierlichen Körper aus, denn ihr übriges Äußeres hatte sich nicht verändert. Noch immer besaß sie diesen feinen Kopf mit den großen, beredten Augen, ihr Hals wölbte sich anmutig, und ihre Fesseln waren unverändert schlank.
    Seit jenem Tag, an dem stumme, doch überwältigende Panik sie niedergeworfen hatte, seit Eric zumindest den größten Teil der Nacht neben ihr verbrachte, war sie ruhiger geworden. Er würde da sein, wenn es geschah. Sie würde nicht allein sein, wie damals. Wenn er da war, würde es einen Ausweg geben.
    Wie die meisten Tiere hatte sie ein sehr feines Zeitempfinden. Langsam ging sie zum Koppelzaun und lehnte ihr kleines Maul auf eine der massiven Bohlen, um auf die Auffahrt zu blicken. Bald würde er kommen.
    Aus der Ferne hörte sie den Wagen, lauschte auf das vertraute Geräusch, als das Tor geschlossen wurde.
    Solitaire war nicht die einzige, die wartete: ein dumpfes Trommeln näherte sich stetig – Excalibur und seine Stuten kamen aus den Hügeln. Als der kleine Morris vor dem Stall hielt, überschwemmte die Woge der Pferde die für gewöhnlich leeren Weiden außerhalb der Koppeln. Excalibur löste sich aus dem Pulk und kam auf Eric zu, den Schweif hoch getragen. Er erhob sich halb auf die Hinterhand und prustete übermütig.
    »Hallo, Wildfang.«
    Excalibur sank nieder, verharrte und neigte neugierig den Kopf: Da war eine Veränderung im Wesen seines Freundes. Heute würde es wohl keine übermütigen Spielchen geben. Er schob die Nüstern vor und versuchte zu ergründen, was es war. Der Fellball, den Eric immer bei sich hatte, wedelte heftig, seine Schnauze war weit offen und seine Zunge fuhr immer wieder über seine Lefzen.
    Excalibur kam zwei Schritte näher, und die Gestalten von Mann und Hund verschwammen endgültig vor seinen weitblickenden Augen. Er blieb stehen und stellte fragend die Ohren vor.
    Eric kam zu ihm und streckte die Hand aus. Der Hengst näherte sich dem vertrauten Geruch, bis sie unmittelbar voreinander standen.
    »Weißt du ...?« Die Stimme klang gepreßt, als sei nicht genug Raum für sie in der Kehle.
Excalibur drückte sein Maul gegen Erics Schulter und wartete.
Nach einer Weile sprach die Stimme wieder, leichter jetzt
– »Denk nur, Excalibur: ich werde Vater! Kannst du dir das vorstellen?!« Er preßte sein Gesicht gegen den roten Hals und grub seine Hände in die lange Mähne. Excalibur fühlte, wie heiße Nässe über seine Haut lief. Er drehte den Kopf und schob Eric damit dichter an sich. Ihre Gedanken begegneten einander.
Sanft schmiegte der harte Pferdeschädel den Mann an seine Brust. Die feinen Nüstern schnoberten über

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