Im Schatten des Pferdemondes
hier ...«
»Bin ich.«
Auch wenn Solitaire nicht mehr die Mutter des Begründers seines Gestüts sein würde, niemals könnte er sie im Stich lassen. Elaine würde verstehen.
Er verharrte mit gesenktem Kopf, hoffte, Elaine werde ihn nicht vor eine Entscheidung stellen. Denn dann konnte es nur eine geben. Und er würde erkennen müssen, daß er einmal mehr getäuscht worden war. Er wollte sich diese Qual nicht vorstellen; grub die Zähne in die Unterlippe, atmete tief, zwang den Schatten eines Lächelns auf sein Gesicht und blickte wieder Emily an: »Bin ich.«
»Oh, ich verstehe.« Elaine klang etwas bestürzt, als er sie anrief und ihr die neue Situation erklärte. Anderes war nicht zu erwarten. Aber dann sagte sie: »Würde es dich sehr stören, wenn ich dich dort besuche?«
»Elaine ...« Sein Herz tat zwei sehr laute und mächtige Schläge, und hinter seinen Augen begann es zu brennen. »Ich sehne mich nach dir, kleine Fee«, flüsterte er beklommen, beschämt über seine Wortwahl – aber es war die Wahrheit. Er hatte sich nicht in ihr geirrt, und er hörte das Lächeln in ihrer Stimme, als sie erwiderte: »Ich komme zu dir, sobald ich kann. Die finsteren Blicke der Hoheit Fargus werde ich überwinden; vielleicht nicht unbeschadet, aber ich werde zu dir kommen. Und weißt du ...?«
»Was denn?«
»Ich bin noch niemals auf einem Strohbett geliebt worden.«
Am anderen Ende der Leitung wußte sie sehr genau, wie ihm zumute war. Sie sah sein abwechselndes Erbleichen und tiefes Erröten im Geiste und hörte sein jähes Herzklopfen in seinem Schweigen. Er war so ... schamhaft. Bezaubernd. Sie wünschte, sie könnte in diesem Augenblick bei ihm sein.
»Ich komme zu dir, sobald ich kann.«
Eric liebte es, wenn ihre Stimme zu diesen leisen und tiefen Noten absank. Wie hatte er je ohne sie leben können?
Im Schneidersitz saßen sie unter der Notbeleuchtung des Stalls einander im Stroh gegenüber und nippten an einem herrlich duftenden, eiskalten Aperitif, den Elaine mitgebracht hatte. In seiner dicken Eismanschette ruhte er neben ihr auf dem Stroh. Er war ziemlich schwer und hatte den Geschmack von herben Orangen.
Wolf näherte sich, als er Erics Behagen fühlte, und streckte neugierig die Nase aus. Eric hielt ihm sein Glas hin, und der Hund schnupperte, setzte sich und klopfte mit der Rute ins Stroh. Höflich wartete er ab, bis Eric etwas von dem Getränk in die Mulde seiner Handfläche gegeben hatte, dann streckte er den Kopf vor, witterte erneut und tauchte die Zunge in die Flüssigkeit. Verwirrt zuckte er zurück, als der Alkohol ein kaltes Brennen auf seiner Zunge auslöste, aber als der Geschmack sich entfaltete, wedelte er, kam wieder näher und nahm einen kleinen Schluck. Solitaire beobachtete sein Treiben mit Interesse.
Zwischen Solitaire und Wolf hatte sich eine tiefe Sympathie entwickelt, ähnlich der zwischen Missy und Sir Lancelot. Langsam stakste die kleine Stute näher, um zu erkunden, was ihr neuer Freund da ausprobierte. Ihre Hufe raschelten leise im Stroh, und leise blies sie ihren Atem in Erics Ohr. »Schau an«, sagte er und lächelte Elaine zu, »noch ein Leckermäulchen.«
Solitaire sog den fremden Geruch von seiner Hand auf und nahm den Kopf zurück. Ihr schwindelte ein bißchen. Sie beobachtete Wolf, der auf den Geschmack gekommen war und einen weiteren kleinen Schluck nahm – mehr als ein paar Tropfen waren es ohnehin nicht. Sie faßte sich ein Herz, und da die Handfläche nun leer war, denn das meiste war ins Stroh geflossen, leckte sie entschlossen darüber. Ihr Gesicht nahm darauf einen so drolligen Ausdruck an, daß Elaine und Eric lachen mußten. Eric streichelte ihre feine Nase. »Hoheit, eine Dame, die ein Kind unter dem Herzen trägt, sollte alkoholische Getränke meiden.« Sie schnaubte und legte ihm das Kinn auf die Schulter.
»Sie ist wirklich hinreißend«, sagte Elaine und wollte Erics Glas füllen. Er hielt die Hand darüber. »Lieber nicht. Ich will nicht zu tief schlafen.«
»Dann will ich auch nichts mehr.« Sie verstaute die Flasche in der großen Kühlbox, aus der sie zuvor kaltes Brathuhn, frisches Brot und einen gemischten Salat gezaubert hatte. »Sowieso ist es ein Aperitif, und kein Digestif. Wir hätten ihn vor dem Essen trinken sollen.«
Seine Augen hatten plötzlich wieder diesen tiefen, verlangenden Ausdruck, der zugleich scheu und sehnsüchtig war. »Ich hab so was noch nie getrunken, aber bist du sicher, daß es nur Appetit auf das Essen macht?«
Behutsam
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