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Im Schatten des Pferdemondes

Im Schatten des Pferdemondes

Titel: Im Schatten des Pferdemondes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Evita Wolff
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Vorwürfe im Stall, und nun dies!«
»Du hältst ihm ja bloß die Stange, weil er so vor dir buckelt!« schleuderte sie ihm entgegen. »Aber gestern Abend hättest du ihn erleben sollen, vor dem Haus, wie er da mit mir umgesprungen ist! Er wollte mir Angst machen –«
»Ich habe Ihnen angst gemacht, junge Lady«, sagte Eric sehr langsam. Wenn er so sprach, nahm seine Stimme einen sehr tiefen, sehr bösen Tonfall an. Seine Pferde fürchteten diese Stimme. »Sie wissen, daß all diese Vorwürfe, die Sie mir, seit ich hier bin, an den Kopf geworfen haben, ohne Grund sind. Ich weiß nicht, warum Sie das tun, aber ich weiß, daß ich Sie gestern Abend an den Rand der Wahrheit gedrängt habe; Sie fürchteten, ich wollte Ihre Beweggründe für Ihr Verhalten gegen mich herausbringen.« Er trat näher, in der gleichen Haltung wie gestern, und sofort wich sie zurück. Er blieb stehen. Ein kleines Lächeln nistete in seinen Augenwinkeln. »Louise, sie sind – ein Kind.«
Es schien, als wolle sie mit einem Wutschrei und gegen ihn gerichteten Nägeln auf ihn zuschießen – da ertönte plötzlich etwas wie unterirdischer Donner aus der Ferne, aber er verhallte nicht, sondern kam näher und schwoll an.
»Sie kommen!« rief Emily und tat einen Freudensprung. »Oh, Eric, Sie Teufelskerl, Sie haben Excalibur zu uns gebracht!« Sie hastete zum Abgrund und verharrte in zitternder Spannung. Ein Pferdekopf erschien schließlich da drüben auf der gegenüberliegenden Höhe.
»Das ist Resistance, unsere Leitstute«, erklärte Grandpa Eric. Sie standen dicht beieinander, ebenso wie Emily ganz nahe am Abgrund, ebenso wie sie begierig auf das Donnern der Hufe lauschend.
Resistance erklomm den gegenüberliegenden Hügelkamm – einen Lidschlag lang hob sich ihre vollendete Gestalt vor dem strahlenden Licht ab, als sie sich orientierte – und schoß, ohne auch nur den Bruchteil einer Sekunde zu zögern, den steilen, von Schrunden zerfurchten Abhang hinunter, mit der Sicherheit einer Bergziege. Ebenso trittsicher, ebenso geschmeidig erreichte die Herde die Kammhöhe und folgte ihr über den steil niederschießenden Grund. Die Fohlen, offensichtlich bereits erfahren in solchen Parforcejagden, folgten ihren Müttern, als bände sie noch eine unsichtbare Nabelschnur an sie, rutschten neben ihnen auf den Hinterläufen die Hänge hinunter, flogen in weitem Sprung über Felsbrocken und trügerische, morastige Flecken mit einer Sicherheit, die der der Stuten in nichts nachstand – es war eine atemberaubende Flut von Füchsen und Falben und Kastanienroten und einigen wenigen Rappen, ein Stürmen blonden und roten, weißen und schwarzen Langhaars – einander vergnügt stoßend, schlagend und beißend – eine Pracht glänzender, vor Gesundheit strotzender Pferdeleiber.
»Mein Gott!« Eric konnte kaum Atem schöpfen. Diese Herde, diese Masse von Pferden – inmitten dieser wilden Landschaft, die sie geformt und genährt, sie zu dem gemacht hatte, was sie waren – die leichtfüßige Kraft, die unerhörte, unglaublich scheinende Geschmeidigkeit war atemberaubend; und da war endlich – er: Excalibur.
Er drängte ein paar Nachzügler über den Kamm, jagte sie über den Abgrund, sie umkreisend, sie in die Schenkel zwickend, Seite an Seite mit ihnen galoppierend und sie mit seinem sich langstreckenden Körper in die Richtung, in die er sie haben wollte, drängend – eine machtvolle, rotschlängelnde Flamme.
»Wir haben Resistance schon lange als Leitstute«, rief Grandpa über den Donner der Pferdehufe. »Die beste seit Erie, die mein Großvater besaß.«
Eric hörte ihn nicht. Er sah ihn nicht. Er sah auch die Stuten und Fohlen nicht; nicht wirklich. Selbst Solitaire war für den Augenblick vergessen. Sein Blick war wie festgenagelt an Excalibur.
    Excalibur, der Nachfahre des großen roten Rennpferdes Man o' War, Nachfahre auch des feurigen kleinen goldfarbenen Araberhengstes Sham, konnte sein Erbe nicht leugnen, wie viele Blutlinien auch immer in seine lange Ahnenreihe eingekreuzt worden waren; in ihm schien sich das Erbgut der beiden einzigartigen Hengste zu einer Symbiose verschmolzen zu haben: Er besaß die massive körperliche Präsenz und die ganz eigenartige Farbe von Big Red, ein leuchtendes Rotgold, und ebenso die Grazie Shams: die hohe Kruppe, den kompakten Rumpf, die trockenen langen Beine, die tiefe weite Brust, die sehr weiten Nüstern, die den Wind begierig tranken, und den langen Hals, der sich stolz und muskelbepackt aufwölbte. Er kam

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