Im Schatten des Pferdemondes
Sir. Sie erinnert sich voller Angst an Dinge, die ihr geschehen sind, und nimmt diese ganze große Angst in die Zukunft voraus. – Sir, sie hat kein Vertrauen mehr! Sie ist nicht verrückt oder krank. Sie ist unfähig zu vertrauen!« Erics Stimme sank. »Lassen Sie es mich mit ihr versuchen, Sir.«
Grandpa ließ sich wieder mühsam auf der Couch nieder. »Ich bin dafür, sie zu erschießen«, murmelte er. »Ich möchte keinen ihrer Nähe aussetzen. Sie hat Edward angegriffen. Sie hat keinen Anstand mehr. Sie ist durch und durch verdorben.«
Wieder sah Eric die irren Augen der Stute vor sich, und wie sie sich an die Stallwand gepreßt hatte, als versuche sie, in sie hineinzustürzen, um sich zu retten. Ja, möglicherweise war sie verdorben. Aber sie zu erschießen, ohne ihr eine Chance zu geben ...
»Wenn etwas geschehen sollte, Sir, trägt niemand anderer als ich die Verantwortung. Sie werden sich sagen können, daß ich es aus freiem Entschluß getan habe.« Eric versuchte, das Drängen, das in ihm war, aus seiner Stimme herauszuhalten, aber er wünschte, Grandpa Fargus würde sich endlich zu einem Entschluß durchringen. Die Zeit verstrich, und er hatte seinen Vorsatz nicht vergessen, Lance heute noch zu reiten. Eine halbe Stunde mit Solitaire müßte für den Anfang genügen. Vielleicht konnte er ... ja, er wollte in eine der Boxen gehen, die Tür hinter sich schließen, so daß sie ihn nicht sah, und sich ganz still verhalten. Sie würde seine Gegenwart spüren, aber in keiner Weise belästigt werden. Dann wollte er die Zeitspanne täglich verlängern, bis sie seine Anwesenheit tolerierte. Und dann würde er beginnen, zu ihr zu sprechen. Es war ein vorläufiger Plan, der noch ausgebaut und verfeinert werden mußte, aber es war mehr, als er noch vor wenigen Minuten gehabt hatte. Selbst Solitaire mußte geholfen werden können, wenn nur noch ein Funken Anstand in ihr war. Sie war ja nicht immer so gewesen.
»Sir?«
Grandpa schenkte sich noch etwas Whisky ein und schwenkte das Glas. Schließlich sagte er müde: »Ich wünschte, Sie täten es nicht, mein Junge.«
»Danke, Sir.« Eric drehte sich um und verließ das Haus. Als er über den Hof ging, bemerkte er wieder die Steifheit seiner Muskeln. Der zweite Ritt auf Excalibur und die Anstrengungen der vergangenen Stunde hatten die Schmerzen noch verstärkt, und zudem kroch ein kaltes Gefühl des Unbehagens, beinahe der Furcht, in seiner Brust hoch, als griffe eine kalte Hand nach seinem Herzen, so wie vorhin, als sich sein Schaudern unter Excaliburs Haut wiederholt hatte.
Aber wozu brauchte er Beweglichkeit, wenn er doch bloß in den Stall schlüpfen, in die erste Box treten und die Tür hinter sich zuziehen mußte? Er könnte sich sogar im Stroh ausstrecken und eine halbe Stunde ruhen.
Wenn doch bloß diese Schreie aufhörten!
Nur die Ruhe. Auch Solitaire würde einmal müde werden und sich damit abfinden, daß sie nicht aus dem Stall herauskam. Müdigkeit ... ihm kam ein neuer Gedanke. Wenn er sie in die Koppel brachte und dort herumlaufen ließ, bis sie müde, wirklich müde war, würde sie vielleicht zugänglicher werden. – Ja, ja, das war gut, und – sie durfte auch nicht zu gut gefüttert werden; je weniger Kraft sie hatte, desto besser für den Anfang. Selbst Solitaire konnte nicht immer in einem Zustand der Panik sein, in dem für Müdigkeit kein Raum ist. Es sollte nicht zu schwierig sein, eine Vorrichtung zwischen Stalleingang und Koppel zu bauen, es war ja nur eine kurze Distanz, so daß ihr nichts übrigblieb, als auf die Koppel zu laufen. Es bedurfte nur einiger massiver Bretter, die hoch genug waren, so daß sie nicht einmal auf den Gedanken kam, darüber zu springen, und am Durchbrechen würde sie schon zu hindern sein ... Er war jetzt beim Stall und lauschte über das endlos anhaltende Schreien nach den Lauten ihrer Hufe, um festzustellen, wo sie war. Scharren und Schlagen klangen, als versuche sie, die Tür zum zweiten Stallgang aufzubrechen, also würde er den Stall durch diesen Eingang betreten.
Er öffnete die Tür leise und vorsichtig; der einfallende Lichtstrahl würde unweigerlich ihre Aufmerksamkeit auf sich ziehen, aber das war nicht zu ändern. Wie ein Schatten schlüpfte er hinein und zog die Tür hinter sich zu, verriegelte sie aber nicht mit dem schweren Holzbalken.
Im selben Augenblick, als Eric den Stall betrat, erstarben die Schreie Solitaires, und er sah die Stute auf sich zurasen wie eine Lokomotive.
Sie war kein großes Pferd und
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