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Im Schatten des Pferdemondes

Im Schatten des Pferdemondes

Titel: Im Schatten des Pferdemondes Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Evita Wolff
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seines Patienten angewiesen, um seine Schlußfolgerungen ziehen zu können. Und seine Patienten sprechen. Selbst wenn sie nicht die Wahrheit sagen können oder wollen, so hat der Psychoanalytiker doch immerhin einen Anhaltspunkt.« – »Und Tiere«, nahm David den Faden auf, »sprechen nur durch ihre Handlungen, ganz wie Sie's an Ihrem ersten Abend bei uns sagten. – Allmählich verstehe ich ...« Er tastete wieder nach seiner Pfeife, besann sich eines anderen und ließ die Hände sinken: »Alle Achtung, da haben Sie sich ja ein hübsch kompliziertes Feld gesucht.«
Eric schleppte einen Putzkasten und mehrere Eimer über die Wiese und stellte seine Last in Excaliburs Nähe ab. »Zeit, ein anderes Versprechen einzulösen, Junge.«
Der Hengst kam mit steifen Schritten näher, jederzeit bereit wegzuspringen, wenn es diesem grellroten Ding dort etwa einfallen sollte, ihn in die Nase zu zwicken: Als sehr junges Fohlen hatte er einmal am Strand neugierig und unvorsichtig einen Krebs angestupst, der ihm daraufhin prompt seine Schere in die Oberlippe geschlagen hatte; eine unvergeßliche Lehre. Dieses Ding rührte sich nicht. Aber auch der Krebs hatte sich nicht gerührt, bevor er ihn anstieß.
Er blieb in vorsichtiger Entfernung stehen und sog die Gerüche von Plastik, Pferd und verschiedenen Salben und Fetten ein. Erst als Eric mit beiden Händen ohne zu zögern in den Kasten griff und darin herumwühlte, kam Excalibur ganz nahe heran. Seine Ohren vernahmen zum ersten Mal das Geräusch einer Kardätsche, die an einem Striegel ausgestrichen wird, und folgten dem Laut in einer kleinen zuckenden Bewegung. Eric hielt ihm die beiden Werkzeuge hin und erklärte, wozu sie gut waren, wobei er genau wußte, daß der Hengst ihn nicht verstand. Er würde es ihm zeigen müssen. Doch das vertraute sanfte Murmeln seiner Stimme ließ Excalibur die Geräte eingehend beriechen. Er schnaufte. Die Dinger rochen für ihn wie ein Pferd, das sich vor einiger Zeit im Dreck gewälzt hatte, der dann auf seinem Fell eingetrocknet war. Seine Zähne faßten nach der Kardätsche wie nach der Mähne eines anderen Pferdes, um dessen Mähnenkamm wohltuend zu zwicken, wie er es in seinen Fohlentagen getan hatte, bevor er der Herrscher wurde, dem sich keiner zu nähern wagt; er umschloß spielerisch die Kardätsche – und ließ sie schnell wieder los, als die Borsten gegen seinen Gaumen drückten. Seine Ohren klappten zur Seite, als er überlegte, ob er beleidigt sein sollte; aber dann war die Neugier doch stärker. Er stieß die Kardätsche an: Wozu war das überhaupt gut? Damit spielen oder es fressen konnte man jedenfalls nicht.
Er zuckte zurück, als Eric sanft mit der Kardätsche über seine Nase strich, aber gleich schob er den Kopf wieder vor: das war nicht unangenehm. Es war wie Streicheln, nur keine glatte Berührung wie von Erics Händen, sondern tiefer. Sehr intensiv fühlte er nach, wie die kurzen Borsten zwischen die Haare seines Fells griffen und seine Haut sanft stimulierend erreichten. Seewind, Sonnenschein und Mairegen hatten ihm nie so viel Spaß gemacht wie dieses kleine Ding, das in langen, langsamen, geübten Strichen über seinen Körper geführt wurde. An der rechten Flanke hatte er einen ausgeprägten Haarwirbel; es kitzelte, als sich die Kardätsche näherte, und er schwankte zwischen Quieken und verspieltem Ausschlagen, aber das Ding folgte vorsichtig der Wuchsrichtung der Haare und war eine reine Wohltat. Er seufzte, streckte den Kopf entspannt nach vorn und schloß halb die Augen. Seine Ohren achteten jetzt auf die Herde; alle anderen Sinne waren diesem einzigartigen Vergnügen hingegeben. Und es war nicht nur diese Bürstenmassage – danach kam eine zweite mit einer noch sanfteren Bürste, und auch sein windzerzaustes Langhaar wurde vorsichtig entwirrt, geglättet, gekämmt und ein wenig getrimmt: Die Mähne floß darauf von seinem Kamm in glänzenden Wellen, und der stolz getragene Schweif schwang beinah bis zu seinen Hufen herab. Einer nach dem anderen wurden seine Hufe zuerst mit einer trockenen, dann mit einer nassen Bürste gereinigt, außen und innen. Eric kratzte den Huf aus und schnitt mit einem scharfen Hufmesser behutsam loses Horn weg, bis die Innenflächen rein waren. Excalibur lauschte auf die seltsamen Geräusche, die durch seine Beine nach oben klangen, und manchmal drehte er den Kopf, um zu erkunden, was Eric da tat. Es war ihm ungewohnt, auf drei Beinen zu stehen, aber das war Teil des Spiels. Wenn ein Huf

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