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Im Schatten des Schloessli

Im Schatten des Schloessli

Titel: Im Schatten des Schloessli Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ursula Kahi
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auch gesagt, auf welche Weise Sie dies tun sollten?»
    «Dient dem Herrn in Furcht und küsst ihm mit Beben die Füsse, damit er nicht zürnt und euer Weg nicht in den Abgrund führt. Doch die Gottlosen müssen ins Totenreich hinabfahren.»
    «Wollen Sie damit andeuten, Sie hätten Chris Morton umgebracht?»
    Der Knall liess Unold zusammenschrecken. Geigy fuhr herum, die Bauchmuskeln angespannt. Die Rechte glitt ebenso schnell unter sein Ledergilet, wie sie, die Finger um das Griffstück des Dienstrevolvers gekrümmt, den Abzugsfinger oberhalb des Abzugsbügels gestreckt, wieder daraus hervorkam.
    Margrit Kägis Augen weiteten sich, als sie in die Mündung der Waffe blickte. «Das Kruzifix …» Sie streckte die beiden Bruchstücke des Silberkreuzes vor sich in die Höhe.
    Geigy liess die Waffe sinken.
    Die alte Kägi fuhr in ihrem Rollstuhl so nahe an Geigy heran, dass ihre knochigen Knie beinahe seine Oberschenkel berührten. «Sehen Sie sich meinen Bruder an. Glauben Sie im Ernst, er könnte jemanden umbringen?»
    «Wozu ich persönlich Ihren Bruder für fähig halte, ist völlig irrelevant. Es geht bei unserer Arbeit nicht darum, die Glaubwürdigkeit einer Auskunftsperson, eines Zeugen oder eines Beschuldigten zu beurteilen; es geht einzig und allein um die Glaubwürdigkeit seiner Aussage. Keiner sagt immer die Wahrheit, genauso wenig, wie keiner immer lügt. Ich frage Sie also noch einmal», Geigy wandte sich wieder Johannes zu und fixierte ihn mit seinem Blick, «wo waren Sie gestern Abend zwischen zweiundzwanzig Uhr und zwei Uhr früh? Waren Sie bei der Schlösslimühle und haben dort auf Chris Morton gewartet, um auszuführen, was der Herr Ihnen aufgetragen hat? Als direkter Nachbar von Morton war es für Sie ja ein Leichtes, die Laufgewohnheiten des Mannes auszuspionieren.»
    Johannes hielt Geigys Blick stand. «Denn du, Herr, segnest den Gerechten; du umgibst ihn mit Gnade wie mit einem Schild. Über jene aber, die die Grenzen des Herrn überschreiten, die in Unmoral und Verderbtheit versinken, wird gerichtet werden, auf dass die göttliche Ordnung wiederhergestellt werde und das Reich Gottes in seiner alten Herrlichkeit wiederauferstehen möge.»
    Johannes und Geigy massen sich schweigend. Keiner von beiden schien gewillt, die Augen abzuwenden.
    «Wer unschuldige Hände hat und ein reines Herz, der wird Segen empfangen von dem Herrn und Gerechtigkeit von dem Gott seines Heils.» Margrit Kägi drückte die Hand ihres Bruders. «Ich sagte Ihnen ja, dass Johannes mit dem Tod unseres Nachbarn nichts zu tun hat.»
    Johannes sagte weiterhin kein Wort. Aufrecht stand er da, ein entrücktes Lächeln auf den Lippen.
    Geigy steckte seine Dienstwaffe ins Holster zurück und zog einen zusammengefalteten Papierbogen aus der Innentasche seines Kittels. «Sie bleiben also dabei: Sie haben in der Nacht von gestern auf heute nicht bei der Schlösslimühle auf Chris Morton gewartet?»
    Johannes lächelte und schwieg.
    «Wie aber wollten Sie Morton auf den rechten Weg zurückführen, wie Gott der Herr es Ihnen aufgetragen hat? Etwa damit?» Er streckte Johannes eine Kopie des Briefes entgegen, den Unold bei Simone Morton gefunden hatte.
    Johannes sah flüchtig auf die DIN - A4 -Seite. «Gott ist mein Herr, und ich bin sein Werkzeug», sagte er mit fester Stimme.
    «So etwas Ähnliches sagten Sie bereits», schnappte Geigy. «Herrgott noch mal, als Werkzeug nützen Sie dem da oben nur etwas, wenn Sie auch was tun.»
    «Die, die hören wollen, führe ich auf den rechten Weg zurück. Die andern werden in der Hölle verrotten.»
    «Und wie, wie führen Sie sie auf den rechten Weg zurück? Indem Sie ihnen Schmähbriefe wie diesen hier schreiben? Kennen Sie diesen Brief? Haben Sie ihn geschrieben und bei ihrem Nachbarn eingeworfen?»
    «Gott ist mein Herr, und ich bin sein Werkzeug.»
    Geigys Kiefermuskeln traten hervor.
    «Hören Sie», raunte Unold, «lassen Sie sich von Johannes einen Vergleichstext geben. Dann sage ich Ihnen bis morgen Abend, ob er den Brief an Morton geschrieben hat oder nicht.»
    Geigy nickte. «Hat es hier irgendwo einen Tisch, wo sich Ihr Bruder hinsetzen und aufschreiben kann, was er den Leuten im Auftrag Gottes verkündet?»
    Margrit Kägi wies in Richtung Flur. «In der Küche. Aber das ist absurd.»
    «Sie gehen jetzt in die Küche und schreiben alles auf, was Gott Ihnen zu sagen aufgetragen hat.» Geigy machte einen Schritt zur Seite, um Johannes den Weg freizugeben.
    Johannes rührte sich nicht von

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