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Im Schatten des Schloessli

Im Schatten des Schloessli

Titel: Im Schatten des Schloessli Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ursula Kahi
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nicht wahr?» Norberg lachte gepresst.
    «Gunnar, du bist echt ’n Arschloch!» Nasser trommelte mit der Rückseite seines Kugelschreibers auf die Tischplatte.
    «Schon gut», lenkte Geigy ein. «Vergiss den Idioten. Sonst noch was, Nathalie?»
    Schnarrenberger schüttelte den Kopf. «Von meiner Seite war’s das.»
    «Gut. Iris und Liam?»
    Nasser räusperte sich. «Lässt man Mortons beruflichen Hintergrund beiseite, wüsste ich nicht, wer ’nen Grund gehabt haben sollte, ihn umzubringen. Scheint ’n Engel gewesen zu sein. Freunde und Bekannte schwärmen in den höchsten Tönen von seiner Warmherzigkeit, seiner Geradlinigkeit, seiner Zuverlässigkeit. Und ’n liebevoller Ehemann und Vater war er offenbar auch. Dabei grundsolide, äusserst sozial eingestellt und von ’nem hohen Ethos getrieben. Ohne den Hauch eines Skandals.»
    «Anders sähe es aus, wenn die Tatsache, dass Morton mal eine Frau war, an die Öffentlichkeit gelangt wäre. Das hätte bestimmt für einigen Wirbel gesorgt», fuhr Häuptlein fort. «Für gewisse Kreise sind Transsexuelle einfach nur pervers. Eine frankensteinische Missbildung.»
    «Wer sagt das?»
    «Die Freikirchen, religiöse Spinner und vor allem die Evangelikalen. Wir haben auch mit dem Präsidenten von ‹Transgender Network Switzerland› gesprochen.» Häuptlein schaute flüchtig auf ihre Unterlagen. «Er meinte, Transmenschen wagten es zwar immer mehr, sich zu outen, doch hätten viele nach wie vor mit Vorurteilen zu kämpfen, verlören ihren Partner, ihren Job, ihre Freunde. Und noch etwas: Er würde die Hand dafür ins Feuer legen, dass noch lange nicht jeder, der das behauptet, mit dem Coming-out eines Transmenschen tatsächlich umgehen kann. Sie gäben es zwar nicht zu, aber im Innersten täten sich viele unglaublich schwer damit, wenn ihre Bekannte aus dem Singkreis unvermutet mit Bart herumlaufe und statt der Sopran- plötzlich die Bassstimme singe.»
    «Aber Morton war ja erst seit Kurzem in Aarau», übernahm Nasser wieder das Wort. «Keiner hier hat über seine Vergangenheit Bescheid gewusst. Bis auf sein engstes Umfeld.»
    «Und die Kägis», merkte Geigy an. «Habt ihr den Eindruck, jemandem von den Eingeweihten war diese Sache so zuwider, dass er Morton deshalb umgebracht haben könnte?»
    Nasser und Häuptlein tauschten einen Blick. «Beschwören kann ich es natürlich nicht», begann Häuptlein zögernd, «aber ich halte es für äusserst unwahrscheinlich. Überlegt doch mal: Hätte Mortons Frau ein Problem damit gehabt, hätte sie Morton überhaupt nicht erst geheiratet. Ebenso der Verwaltungsrat der ASH . Warum sollte der Morton für sechs Millionen nach Aarau holen, wenn er ihn aus was für Gründen auch immer gar nicht haben wollte?»
    «Sind das alle, die über Mortons Geschlechtsangleichung im Bild gewesen sind?», erkundigte sich der Staatsanwalt.
    «Soweit wir herausgefunden haben, ja. Jedenfalls hier in Aarau.»
    «Sässe die Kägi nicht im Rollstuhl, würde ich ihr den Mord glatt zutrauen», bemerkte Unold. «So aber … Sie könnte ihren Bruder dazu angestiftet haben.»
    «Bravo, damit habt ihr neben den zweihundert Verdächtigen aus der ASH und den Horden aufgeschreckter Steuerflüchtlinge der ‹Deutschen Unternehmenssparkasse› bloss noch zwanzigtausend Aarauerinnen und Aarauer, die einen Grund gehabt haben könnten, Morton umzubringen. So etwas Pikantes wie ein Mann, der früher mal eine Frau war, bleibt in unserer Klatsch- und Tratschgesellschaft mit Sicherheit nicht lange privat. Die Kägis haben es ja schon mal herausgefunden. Und in diesem Kaff sind doch alle irgendwas zwischen religiös bis fanatisch.» Norberg faltete die Hände über seinem Bauch.
    «Iris, darf ich mal?» Geigy zeigte auf Häuptleins Laptop.
    «Das kann ich auch selbst.» Häuptlein klickte in die Schaltfläche «Verbindung trennen». «Gunnar ist wirklich ein Idiot. Keine Ahnung, was in ihn gefahren ist.»
    «Irgendwie hat er ja recht.» Schnarrenberger rieb sich mit dem Zeigefinger über den Nasenrücken. «Jetzt guckt doch nicht so. Der Kreis der Verdächtigen ist tatsächlich nicht gerade übersichtlich.»
    «Immerhin haben wir welche, Verdächtige meine ich. Wir könnten auch ganz im Dunkeln tappen.» Geigy schaute Desnoyer an. «Hat sich bei dir was Konkretes ergeben?»
    «Jein. Es gab einige Reaktionen auf den Presseaufruf, denen ich noch nachgehen muss. Am interessantesten scheint mir der Chauffeur der Postautolinie 135 zu sein. Er sagt, er habe nachts kurz nach

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