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Im Schatten des Teebaums - Roman

Titel: Im Schatten des Teebaums - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Haran Sylvia Strasser Veronika Duenninger
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und mit den Füßen auf einem Baumstumpf aufkam.
    »Hallo!«, rief Tilly. Sie konnte noch immer nicht glauben, dass Richards Tochter bei ihr wohnte. Was sie nie für möglich gehalten hätte, war eingetreten: Der Kreis hatte sich geschlossen. »Na, ist alles gut gegangen?«
    »Du hättest mir ruhig sagen können, dass Nell so nervös ist«, sagte Eliza ungehalten. »Und dass sie den Zug nicht ausstehen kann.«
    »Ihr seid dem Zug doch gar nicht begegnet, oder?« Tilly richtete sich auf und schaute ihre Nichte besorgt an. Planmäßig verkehrte die Eisenbahn nicht um diese Zeit, das wusste Tilly, und von einem außerplanmäßigen Zug an diesem Tag war ihr nichts bekannt.
    »Nein, zum Glück nicht.«
    »W oher weißt du dann, dass Nell sich vor inm fürchtet?«
    »Kitty Wilson hat es mir gesagt. Wieso hast du mich nicht gewarnt?«, fragte Eliza vorwurfsvoll.
    »Ich hab nicht daran gedacht, weil der Zug erst heut Abend um sechs durchkommt. Ich bin davon ausgegangen, dass du bis dahin wieder zurück bist. Und Nell reagiert nur panisch auf die Pfeife der Lokomotive, sonst ist der Zug ihr ziemlich egal. Wieso sagst du, sie ist nervös? Ist etwas passiert?«
    »Das nicht, aber Nell ist plötzlich durchgegangen, als ein Schwarm Vögel aufflog. Vorher ließ sie sich durch nichts und niemanden zu einer schnelleren Gangart bewegen. Sie ist dahingezockelt wie Noahs Esel.«
    Tilly lachte. »Dass sie langsam ist, hatte ich dir vorher gesagt. Manchmal hilft es, wenn man mit dem Finger gegen ihre Ohren schnippt, aber nicht immer.«
    »Man muss ihr gegen die Ohren schnippen?«
    »Sie hat eben ihre Eigenarten.« Tillys Miene wurde ernst. »Hast du Kitty gesagt, dass wir … verwandt sind?« Der Gedanke, die Leute könnten davon erfahren, erfüllte Tilly mit gemischten Gefühlen.
    Eliza schüttelte den Kopf. »Nein. Ich dachte, es wäre dir nicht recht.«
    »Um ehrlich zu sein, ich weiß es selbst nicht. Ich überlasse es dir, ob du es jemandem sagen willst oder nicht.«
    »Mir macht es nichts aus, wenn die Leute erfahren, dass ich deine Nichte bin, aber ich möchte nicht, dass meine Eltern etwas mitbekommen.« Eliza senkte den Blick.
    »Natürlich nicht.« Zu ihrer eigenen Verwunderung stellte Tilly fest, dass sie ein wenig enttäuscht war. Eliza war ein reizendes Mädchen, und sie, Tilly, war stolz darauf, mit ihr verwandt zu sein. Andererseits legte Tilly keinen Wert auf eine Konfrontation mit Henrietta.
    »Kitty kam zufällig hinzu, als ich zum Aufsitzen auf einen umgestürzten Baumstamm geklettert war. Sie hat gesagt, ich dürfe das nächste Mal ihren Zaun benutzen, um in den Sattel zu kommen.«
    »O ja. Ich hab vergessen, dir zu sagen, dass ich immer auf den Wassertrog vor dem Hotel klettere. Das ist allerdings nicht ganz ungefährlich«, meinte Tilly und verdrehte die Augen. »Ich bin schon x-mal ausgerutscht und dann bis zu den Knien im Wasser gestanden. Wie bist du denn mit Mannie Boyd klargekommen?«
    »Überhaupt nicht«, erwiderte Eliza trocken. »Ein anderer Reporter, der sich in der Stadt aufhält, hat ihm Geld gegeben, damit er mit keinem anderen über den Tiger redet. Mannie hat mir die Tür vor der Nase zugeschlagen.«
    Das überraschte Tilly nicht sonderlich. Von einem Rüpel wie Mannie war nichts anderes zu erwarten. »Dieser andere Reporter – das war nicht zufällig Alistair McBride?«
    »Doch.« Eliza blickte ihre Tante verblüfft an. »Kennst du ihn etwa?«
    »Ich bin ihm vorgestern begegnet. Ein unsympathischer Bursche.« Er hatte Tilly in der Stadt angesprochen und gefragt, ob sie den Tiger schon einmal zu Gesicht bekommen habe. Tilly hatte verneint und wollte weitergehen, doch Alistair war ihr gefolgt und hatte ihr keine Ruhe gelassen. Erst als sie energisch geworden war, hatte er es endlich aufgegeben. »Das ist doch nicht rechtens, dass er sich das Schweigen der Leute erkauft, oder?«
    »Es verstößt gegen unser Berufsethos, und das habe ich ihm auch gesagt.«
    »Und wie hat er es aufgenommen?«, fragte Tilly.
    »Er sagte, ich solle mir eine Arbeit in einem Modegeschäft suchen.«
    »Dieser arrogante Frechling! Du hättest ihm sagen sollen, dass er ein Stümper ist, wenn er die Leute bezahlen muss, um an Informationen für seine Artikel zu kommen!«, empörte sich Tilly. »Aber so etwas hast du dir bestimmt schon öfter von Männern anhören müssen, wenn sie sich von einer jungen Reporterin wie dir bedroht fühlen, hab ich recht?«
    »Ja, das habe ich schon mehr als einmal gehört«, bestätigte Eliza.

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