Im Schatten des Teebaums - Roman
diese idiotische Idee also von Ihnen, Miss Dickens?«
»Ich … ich hab nur gesagt, dass ich als Kind eine Geschichte gelesen habe …«, stammelte Eliza und senkte den Blick.
Brodies dunkle Augen wurden schmal. Er starrte Eliza einen Moment an und wandte sich dann wieder Jock Milligan zu. »Ich rate Ihnen, schütten Sie die Grube wieder zu, wenn Ihnen Ihr Leben lieb ist«, sagte er, drehte sich um und stapfte grußlos davon.
»Er ist weg«, rief Jock kurz darauf zu den beiden Frauen hinunter.
Nachdem sie sich vergewissert hatten, dass das Seil, das sie um den Hund gebunden hatten, gut verknotet war, kletterte Eliza aus der Grube und reichte Jock das andere Ende des Stricks. Während Jock das Tier vorsichtig heraufzog, stützte Tilly, die Sprosse für Sprosse hinaufstieg, den Hund von unten. Endlich war es geschafft. Tilly und Eliza hatten Laddie kaum losgebunden, da rannte er auch schon davon, froh über seine wiedergewonnene Freiheit. Nach diesem Abenteuer hatte er es eilig, nach Hause zu kommen.
Tilly musterte Jock. »W as machst du jetzt mit der Grube?«
»Ich weiß noch nicht.« Jock schüttelte den Kopf. »Ich bin immer noch der Meinung, dass die Falle keine schlechte Idee ist, aber ich hab andererseits keine Lust, jede Nacht einen Hund zu fangen.«
»Morgen beginnt die Landwirtschaftsausstellung, Jock. Dir bleibt nur noch diese eine Nacht, um den Tiger zu fangen«, sagte Tilly eindringlich. »Die Farmer und ihre Frauen werden morgen in aller Frühe hier eintreffen, um ihre Produkte in deinen Schafschurschuppen auszustellen, und die sind gerade einmal hundert Meter von hier entfernt! Den Leuten wird dieser Erdhügel doch auffallen.«
Jock gähnte ausgiebig. »Ich kann jetzt nicht denken, Tilly, ich bin viel zu müde. Ich hau mich erst mal aufs Ohr, dann sehen wir weiter.«
Tilly und Eliza ritten von Jocks Farm aus in die Stadt, weil Tilly Zucker brauchte. Sie hatte ihren letzten Vorrat für ihre Marmelade und das Eingemachte für die Landwirtschaftsausstellung verbraucht.
Während Tilly in Hal Wiltshires Laden ging, blieb Eliza draußen bei Nell. Aus Richtung Millicent traf ein Zug ein, und mehrere Familien stiegen aus. Alle waren schwer bepackt. Eliza beobachtete, wie sie in aufgeregter Vorfreude durch die Stadt schlenderten. Einige suchten nach einem geeigneten Platz, wo sie ihr Zelt aufstellen konnten, andere hatten ihr Lager bereits aufgeschlagen.
Als Tilly aus dem Laden kam, sagte sie: »Bertie Hobson hat mir gerade gesagt, dass Myra Ferris ein Telegramm für dich hat.«
»W er ist Bertie Hobson?«
»Er arbeitet als Verkäufer bei Hal Wiltshire.«
Eliza blickte sie verständnislos an. »Und wieso erzählt Myra einem Verkäufer, dass ein Telegramm für mich gekommen ist?«
»W ahrscheinlich hat sie über dich getratscht. Tratschen kann Myra am besten«, bemerkte Tilly trocken.
Der Gedanke war Eliza auch schon gekommen. »Dann geh ich lieber gleich rüber zu ihr und hole es.«
Tilly deutete mit dem Kinn auf die Zelte. »Die ersten Ausstellungsbesucher sind schon eingetroffen, wie ich sehe.«
»Ja, und es scheint ihnen nicht das Geringste auszumachen, dass sich ein Tiger hier in der Gegend herumtreibt«, stellte Eliza verwundert fest.
»Ach, weißt du, im Lauf der Jahre hieß es so oft, man habe den Tiger von Tantanoola gesehen, dass es die Leute inzwischen kalt lässt.«
Sie gingen zum Postamt hinüber. Noch ehe Eliza die Tür öffnen konnte, kam Myra heraus. Sie hielt Eliza ein Telegramm hin und sagte kühl: »Ich wollte Noah gerade bitten, es zu Ihnen hinauszubringen.«
»W as steht denn drin?«, fragte Tilly belustigt.
Myra machte den Mund auf, klappte ihn wieder zu und erwiderte kurz angebunden: »Das soll Miss Dickens selbst lesen.« Damit drehte sie sich um und verschwand wieder im Gebäude.
»W as war das denn?«, fragte Eliza verblüfft.
»Ich kenne Myra, sie hat das Telegramm längst gelesen, verlass dich darauf«, antwortete Tilly schmunzelnd. »Ich fand, sie war reichlich unfreundlich zu dir, oder habe ich mir das nur eingebildet?«
»Ist mir nicht aufgefallen. Aber ehrlich gesagt war mein Eindruck von ihr nicht der beste, als ich zum ersten Mal hier war.« Eliza erinnerte sich an Myras wenig schmeichelhafte Worte über Tilly und senkte den Blick, als fürchtete sie, ihre Tante könne in ihren Augen lesen.
Tilly blickte sie überrascht an. »Du hast offenbar Menschenkenntnis. Das wird dir in deinem Beruf sicherlich zugute kommen.«
»Du magst Myra aber auch nicht
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