Im Schatten des Teebaums - Roman
Tilly.
Eliza nickte. »Ja, ich hätte nicht erwartet, dass er sich so darüber aufregt. Ich dachte, er hat nur seine Abschussprämie im Kopf, aber er scheint sich tatsächlich ernsthaft Sorgen um Jock und die anderen hier in der Stadt zu machen. Mir war nicht klar, wie viel schwerer seine Arbeit durch die vielen Besucher an diesem Wochenende sein wird.«
»Mir auch nicht«, pflichtete Tilly ihr bei. »Aber vielleicht bekommt er dadurch den einen oder anderen nützlichen Hinweis. Hoffen wir, dass alles gut geht und dass wir dieses Wochenende ohne Zwischenfälle überstehen!«
7
Eliza machte sich gleich nach dem Essen daran, ihren Artikel zu schreiben. Es dauerte viel länger, als sie gedacht hatte, weil sie genau überlegen musste, welche Informationen sie verwenden konnte und welche nicht. Was Brodie ihr und ihrer Tante mitgeteilt hatte, musste sie zu ihrem Leidwesen für sich behalten.
Über Jock Milligans Versuch, den Tiger lebend zu fangen, konnte sie zu ihrem Bedauern auch nicht berichten. Eliza blieb nichts anderes übrig, als dunkle Andeutungen zu machen. Hoffentlich genügte ihrem Chef das vorerst.
Sie schrieb jedoch ausführlich über die wachsende Unruhe in Tantanoola und über Brodie Chandlers Arbeit, die durch die zahlreichen Besucher der Landwirtschaftsausstellung erschwert wurde. Eliza hätte zu gern über die Spuren berichtet, die Brodie entdeckt hatte – Schafwollbüschel, Kratzspuren in der Baumrinde, Pfotenabdrücke –, doch sie wusste, dass sie sich eine Menge Ärger einhandeln würde, wenn sie sich über seinen ausdrücklichen Wunsch hinwegsetzte, diese Informationen vertraulich zu behandeln. Und der Gedanke, sich Brodie Chandlers Zorn zuzuziehen, behagte ihr gar nicht.
Als sie ihren Artikel zum Schluss noch einmal durchlas, wurde ihr bewusst, dass sie nichts Aufsehenerregendes zu berichten hatte. Mr. Kennedy würde mit Sicherheit enttäuscht sein. Aus Angst, er könnte sie sofort nach Mount Gambier zurückbeordern, fügte sie eine kurze Notiz hinzu:
Ich bin einer packenden Geschichte auf der Spur, Mr. Kennedy, deshalb bitte ich Sie noch um ein paar Tage Geduld. Bitte, vertrauen Sie mir. Sie werden es nicht bereuen!
Herzlichst, Eliza
Es war vier Uhr, als sie endlich fertig war, und das bedeutete, dass ihr nur eine Stunde blieb, um in die Stadt zu reiten und ihren Artikel zur Post zu bringen. Sie sattelte Nell in aller Eile und machte sich auf den Weg. Doch die Stute dachte gar nicht daran, eine schnellere Gangart anzuschlagen. Eliza verzweifelte beinahe. Sie drückte Nell ihre Absätze in die Flanken, schnippte mit den Fingern an ihren Ohren und drohte ihr sogar, doch Nell beeindruckte das alles nicht im Mindesten: Sie trottete so gemächlich dahin wie sonst auch.
Eliza beugte sich über Nells Hals und sagte gereizt: »Dieser Artikel muss unbedingt heute noch zur Post, hast du gehört!« Abermals stieß sie der Stute die Absätze in die Flanken, doch Nell schien es gar nicht wahrzunehmen. »Das ist ja zum Verrücktwerden!«, stöhnte Eliza. »Ich käme schneller voran, wenn ich dich tragen würde anstatt umgekehrt!«
In diesem Moment hörte sie einen Zug, der sich von Mount Gambier her näherte. Sie erschrak, weil sie nicht wusste, wie Nell reagieren würde. Andererseits würde sie jetzt vielleicht schneller vorankommen – es sei denn, Nell machte kehrt und preschte in Panik zu ihrem Stall zurück.
Die Ohren der Stute zuckten nervös. Eliza konnte das Weiße in ihren Augen sehen und spürte, wie Nells massiger Körper sich anspannte. Der Zug kam rasch näher. Eliza schlug das Herz bis zum Hals. Gerade als sie überlegte, ob es nicht klüger wäre abzuspringen, schrillte die Pfeife der Lokomotive. Nell warf den Kopf zurück, stieß ein grelles Wiehern aus und preschte los.
»Brrr!«, rief Eliza und klammerte sich an Nells Mähne. Die Bäume am Straßenrand flogen nur so vorbei; der Wind peitschte ihr Gesicht und zerrte an ihren Haaren.
Obwohl die Eisenbahn nicht gerade langsam fuhr und Nell kein Rennpferd war, trafen sie vor dem Zug in der Stadt ein. Endlich gelang es Eliza, die Stute zu zügeln. Als sie vor dem Hotel abstieg, zitterten ihr die Knie. So schnell ihre wackligen Beine sie trugen, ging sie zum Postamt, während Nell gierig aus dem Wassertrog trank.
»Der Brief hier … muss … heute noch … weg«, keuchte Eliza und hielt Myra Ferris die beschriebenen Seiten hin.
Myra spitzte die Lippen, beäugte die Blätter, die Eliza auf den
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