Im Schatten des Teebaums - Roman
gewesen?«
Eliza zögerte, entschied sich dann aber, die Wahrheit zu sagen, auch wenn sie das vermutlich in Schwierigkeiten bringen würde. »Ja, ich habe meine Tante gebeten, mir die Höhlen zu zeigen. Woher wissen Sie, dass wir dort waren?«
»W eil ich auch Ihre Fußabdrücke gesehen habe.«
»Oh.« Eliza wusste, was als Nächstes kommen würde.
»W ieso haben Sie die Pfotenabdrücke gestern nicht erwähnt?«
»T illy und ich hielten es nicht für wichtig. Wir dachten, sie sind vom Hund eines Nachbarn.«
»V ermutungen sind nie besonders hilfreich, Miss Dickens. In Ihrem Beruf sollte man das eigentlich wissen. Wenn Sie in Zukunft etwas Ungewöhnliches entdecken, dann sagen Sie mir gefälligst Bescheid.«
Seine Zurechtweisung ärgerte Eliza. Sie öffnete den Mund, um sich seinen Ton zu verbitten, doch ehe sie etwas sagen konnte, kam Tilly herein. Ohne Brodie einen guten Morgen zu wünschen, schimpfte sie los:
»Ich werde diese elenden Ziegen heute Nacht auf keinen Fall wieder ins Haus nehmen! Soll der Tiger sie meinetwegen fressen! Sie hätten sehen müssen, was für einen Schweinestall sie aus meiner Waschküche gemacht haben!«
»Stellen Sie sie doch zu meinem Hengst«, schlug Brodie vor. »Angus macht das nichts aus.«
»Sind Sie sicher? Nell mag die Ziegen nämlich nicht besonders.«
»Keine Sorge, Angus ist Gesellschaft gewöhnt.«
Tilly sah Brodie zweifelnd an. »Aber Ziegen sind etwas anderes als ein anderes Pferd.«
»Angus stört das nicht. Zu Hause teilt er den Stall mit einer Kuh, einem uralten Schaf, einem Hahn und ein paar Katzen – alles Tiere, die mir zugelaufen sind.«
»Na schön, wenn Sie meinen. Und wenn er eine meiner Ziegen tritt, ist es auch nicht schlimm, sie haben es nicht besser verdient«, brummte Tilly, noch immer sauer.
»Ich war übrigens gestern Abend bei Jock Milligan«, sagte Brodie unvermittelt.
Tilly und Eliza wechselten einen besorgten Blick. Wusste er von der Falle?
»Er kam mit einem Gewehr auf die Veranda, noch ehe ich aus dem Sattel gestiegen war. Ich stellte mich vor und sagte ihm, dass ich das Teebaumwäldchen an seiner westlichen Grundstücksgrenze absuchen wolle. Eigentlich bin ich nicht dazu verpflichtet, weil ich die Genehmigung des Bürgermeisters habe, mich auf den Farmen frei bewegen zu können. Aber Milligan herrschte mich an, ich hätte nichts bei ihm zu suchen, und befahl mir, sofort sein Land zu verlassen. Ehrlich gesagt verstehe ich das nicht. Alle anderen Farmer arbeiten bereitwillig mit mir zusammen, und gerade von Milligan hätte ich das am meisten erwartet, weil er die größten Verluste von allen erlitten hat.«
»Er … ist ein bisschen unberechenbar«, sagte Tilly vorsichtig. »Ich werde mit ihm reden. Eliza und ich haben noch etwas zu erledigen. Wir kommen sowieso an seiner Farm vorbei.«
Eliza hatte eine Schüssel Haferbrei auf den Tisch gestellt, und Brodie setzte sich. »Ich werde selbst mit ihm reden. Ich habe mir vorgenommen, ihn später noch einmal aufzusuchen. Ich würde zu gern wissen, warum er mich nicht auf seinem Land haben will.«
Eliza, die hinter dem Jäger stand, schaute ihre Tante mit großen Augen an.
»Das würde ich an Ihrer Stelle nicht tun«, sagte Tilly hastig.
Brodie blickte erstaunt auf. »Und warum nicht?«
»W eil … nun ja, weil …« Tilly schaute Eliza Hilfe suchend an.
»W eil Jock nachts kein Auge zutut und deshalb furchtbar schlecht gelaunt ist«, improvisierte Eliza. »Das weiß ich von Kitty Wilson, seiner Schwester.«
»Aber dann bekommt ihr seine schlechte Laune doch auch zu spüren, oder?«, sagte Brodie.
»Schon, aber ich kenne ihn und weiß, wie man ihn nehmen muss«, erwiderte Tilly.
Brodie nickte, schien aber noch nicht ganz überzeugt. Dennoch ließ er das Thema fallen, sehr zur Erleichterung der beiden Frauen.
Nach dem Frühstück ging er hinaus, um Angus zu striegeln. Tilly sattelte Nell und machte sich mit Eliza auf den Weg zu Jock Milligans Farm.
»V on heute an verkehren Sonderzüge wegen der Landwirtschaftsausstellung«, sagte Tilly, als sie auf Nells Rücken vom Grundstück ritten.
»Aber wir haben doch erst Freitag!«
»Schon, aber es werden viele Besucher aus Mount Gambier, Millicent und anderen Orten erwartet. Wir rechnen mit ungefähr hundert Gästen.«
»W o werden die denn alle unterkommen?«, wunderte sich Eliza.
»Die meisten werden in Zelten übernachten oder in ihren Fuhrwerken schlafen.«
»W ird die Nachricht von dem Tiger die Leute denn nicht abschrecken? Es
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