Im Schatten des Teebaums - Roman
erschien Brodie Chandlers dunkles, hübsches Gesicht. Doch im Unterschied zu Katie hatte sie bislang kaum einen Gedanken an das Heiraten verschwendet. Ihr berufliches Weiterkommen war ihr wichtiger.
»Da bin ich froh, Eliza!«, sagte Katie erleichtert. »Ich hatte schon Angst, du würdest mich nicht verstehen.«
»Du bist meine Schwester, Katie, und ich möchte, dass du glücklich bist. Aber wenn ich dir einen guten Rat geben darf – halte dich von Alistair McBride fern.«
»Aber warum? Ich finde, er ist ein sehr interessanter junger Mann«, erwiderte Katie. Das Funkeln in ihren Augen beunruhigte Eliza. »Und dass er obendrein gut aussieht, ist auch kein Fehler.«
»Er ist bekannt für seine Rücksichtslosigkeit«, sagte Eliza mit Nachdruck, »und er will mir mit allen Mitteln die Tiger-Story streitig machen.«
»Er mag ja rücksichtslos im Beruf sein, Eliza, aber das macht ihn noch lange nicht zu einem schlechten Menschen«, verteidigte Katie ihn. »Zu mir war er sehr charmant, und er hat sich äußerst hilfsbereit gezeigt, als ich ihm sagte, dass ich meine Schwester suche. Ich fand ihn sehr galant.«
Eliza fragte sich, welches Ziel Alistair verfolgte. Sie war überzeugt, dass er sich Katie gegenüber nicht aus reiner Menschenfreundlichkeit so entgegenkommend verhalten hatte. Wenn Katie nur nicht so naiv wäre! Ihre Schwester war immer schon eine hoffnungslose Romantikerin gewesen.
»Ich glaube, es wäre besser, du würdest nach Hause fahren, Katie.«
»Aber ich will nicht nach Hause! Lass mich doch bei dir bleiben!«
Ehe Eliza antworten konnte, hörte sie ihren Namen rufen. »Eliza!«
Sie erkannte die Stimme sofort und fuhr herum. George Kennedy eilte mit großen Schritten auf sie zu.
»Mr. Kennedy! Was tun Sie denn hier?«, fragte Eliza verblüfft.
»Ich dachte, ich schaue mir die Landwirtschaftsausstellung an.« Mit einem Blick auf Katie fügte er hinzu: »Guten Morgen, Katie.« Er fragte sich, ob Richard seine Meinung geändert hatte und mit Frau und Tochter nach Tantanoola gefahren war. Er hoffte inständig, dass dies nicht der Fall war.
»Guten Morgen, Mr. Kennedy«, antwortete Katie.
»Sind Ihre Eltern auch da?«, fragte George.
Katie überlegte blitzschnell. »Nein, ich … ich brauchte mal Tapetenwechsel, und da dachte ich, ich fahre übers Wochenende zu Eliza. Aber ich verspreche, dass ich sie nicht bei der Arbeit stören werde.«
»Apropos Arbeit.« George wandte sich seiner Reporterin zu. »Sind Sie mit der Story über den Tiger endlich weitergekommen?«
Eliza, die völlig überrumpelt war, wusste im ersten Augenblick nicht, was sie darauf erwidern oder wo sie anfangen sollte. Zum Glück wurde ihr Chef in diesem Moment abgelenkt. Sein Blick fiel auf eine Frau, die ihm bekannt vorkam, obwohl er nur ihr Profil sah. Er schluckte.
»W ir unterhalten uns später«, sagte er zu Eliza, ohne sie anzusehen, und stapfte zu dem Schuppen, in dem er die Frau erblickt hatte.
»W as hat er denn auf einmal?«, fragte Katie verdutzt. Sie und Eliza schauten ihm verwirrt nach.
»Keine Ahnung«, erwiderte Eliza kopfschüttelnd.
George Kennedy bahnte sich einen Weg durch die Menschenmenge und ging geradewegs auf die dunkelhaarige Frau zu, die damit beschäftigt war, die fünf riesigen Kürbisse mit einem Tuch zu polieren. Als George unmittelbar hinter ihr stand, verließ ihn plötzlich der Mut. Er wollte schon kehrtmachen und davongehen, doch in diesem Moment drehte die Frau sich zu ihm um. Ihre Blicke trafen sich.
George öffnete den Mund, brachte aber keinen Laut hervor. Zwanzig Jahre waren vergangen, aber Matilda hatte sich kaum verändert. Natürlich war sie älter geworden, genau wie er selbst, doch in ihren Augen brannte noch immer das alte Feuer. Damals hatte sie langes Haar gehabt, heute trug sie ihr welliges Haar schulterlang und seitlich gescheitelt. Es fiel ihr auffällig über die linke Gesichtshälfte; George vermutete, dass sie damit Spuren ihres Unfalls verbergen wollte.
Als sie voreinander standen und sich stumm anschauten, erstaunt und verlegen zugleich, hob Tilly unbewusst die Hand und betastete ihre linke Wange, um sich zu vergewissern, dass die Narben von ihrem Haar verdeckt waren. Die Geste bestätigte George in seiner Vermutung.
»Matilda …«, sagte er leise.
»George«, flüsterte sie und senkte scheu den Blick.
»Es ist schön, dich wiederzusehen«, sagte er aufrichtig. »Ich … ich hatte ja keine Ahnung, dass du in Tantanoola wohnst.« Jedenfalls nicht, bis Richard es
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