Im Schatten des Teebaums - Roman
begleitet wurde. »Und was hat der hier zu suchen?«
»Mr. McBride war so freundlich, mir bei der Suche nach dir behilflich zu sein, Eliza.«
»So, war er das? Auf Wiedersehen, Mr. McBride«, sagte Eliza frostig.
»Eliza!« Katie sah sie entsetzt an. »Sei doch nicht so unhöflich!« Sie wandte sich dem Reporter zu. »Danke für Ihre Begleitung, Mr. McBride«, sagte sie und streckte ihm ihre Hand hin.
»Alistair, bitte. Es war mir ein Vergnügen«, fügte er hinzu. Er küsste ihr galant die Hand, während er ihr tief in die Augen sah. Katie war so ganz anders als ihre Schwester, sanft und freundlich, nicht so schroff und aggressiv wie Eliza. »Ich hoffe, wir sehen uns bald wieder, Miss Dickens.« Widerstrebend ließ er ihre Hand los.
»Katie«, erwiderte sie errötend. »Ja, das hoffe ich auch«, fügte sie kokett hinzu. Nicht einmal in ihren kühnsten Träumen hätte sie zu hoffen gewagt, in Tantanoola einem so attraktiven, charmanten Mann zu begegnen. Dass sie ihn so anziehend fand, gab ihr zu denken. Anscheinend war sie doch noch nicht bereit für eine feste Bindung mit Thomas Clarke.
Alistair warf Eliza einen höhnischen Blick zu und ging davon.
»W as für ein netter junger Mann«, hauchte Katie und seufzte hörbar. Verträumt lächelnd blickte sie ihm nach.
Eliza verdrehte die Augen. »W as machst du hier, Katie?«, fragte sie noch einmal.
»Ich musste einfach mal für ein paar Tage weg, und da dachte ich, ich komme hierher zu dir.«
Eliza runzelte die Stirn. »W as heißt, du musstest für ein paar Tage weg?« Katie handelte nie spontan; Impulsivität war ihre Spezialität.
»Ach, ich habe mich mit Thomas gestritten; deshalb brauche ich ein bisschen Abstand. Ich möchte in Ruhe über meine Zukunft nachdenken. Kann ich bei dir wohnen, Eliza?«
Eliza wurde klar, dass sie in einer Zwickmühle steckte. Ihre Eltern durften nicht erfahren, dass sie bei Tante Tilly wohnte – aber wie sollte sie das vor Katie verheimlichen? Außerdem wollte sie Tilly, die bereits zwei ungebetene Gäste hatte, nicht noch einen Eindringling zumuten. »Ich fürchte, das wird nicht gehen, Katie …«
In diesem Moment trat Tilly zu ihnen. Sie strahlte übers ganze Gesicht. »Meine Bohnen haben den ersten Preis gewonnen, Eliza!«, sagte sie aufgeregt.
»Das ist wunderbar, ich gratuliere. Übrigens …«, fuhr Eliza mit einem nervösen Seitenblick auf Katie fort, »das ist Katie … meine Schwester.« Mit angehaltenem Atem wartete sie auf Tillys Reaktion.
»Oh!« Tilly riss die Augen auf und blickte sich panisch um. Ob Henrietta auch da war? Bloß das nicht! Sie war die Letzte, die Tilly sehen wollte. Ihr Herz klopfte schneller. Und was, wenn Richard sie begleitet hatte?
Eliza erriet ihre Gedanken. »Katie ist allein gekommen«, sagte sie. »Sie hat sich mit ihrem Freund gestritten.« Da sie nicht wusste, als wen sie Tilly vorstellen sollte, wartete sie auf einen Fingerzeig von ihrer Tante.
Tilly atmete erleichtert auf. Sie betrachtete Katie aufmerksam. Sie sah ihrer Schwester gar nicht ähnlich. Während Eliza das dunkle Haar und die warmen braunen Augen ihres Vaters hatte, kam Katie – blond und mit grünen Augen – nach ihrer Mutter. Tilly fragte sich unwillkürlich, ob sie auch das nachtragende Wesen Henriettas geerbt hatte.
»Ich glaube nicht, dass die Dame sich für meine Kabbelei mit Thomas interessiert, Eliza«, sagte Katie pikiert.
Eliza achtete nicht auf sie. »Sie würde gern ein paar Tage hierbleiben«, sagte sie zu Tilly und überließ es damit ihrer Tante, ob sie Katie anbieten wollte, bei ihr zu wohnen oder nicht. Um ihr die Sache zu erleichtern – Tilly sollte Katie nicht aus reiner Höflichkeit zu sich einladen –, fügte Eliza hinzu: »Aber bei den vielen Leuten, die zur Landwirtschaftsausstellung in die Stadt gekommen sind, dürfte im Moment nirgendwo mehr ein Zimmer zu bekommen sein.«
Katie sah ihre Schwester verwirrt an. Was war mit Eliza los? Wieso breitete sie ihre Privatangelegenheiten vor dieser Frau aus? Wer war sie überhaupt?
Als hätte sie Katies Gedanken gelesen, sagte Tilly: »Ich bin Tilly Sheehan. Eliza wohnt bei mir.«
»Ach so«, murmelte Katie enttäuscht. Was sollte sie jetzt tun? Sie wollte auf keinen Fall nach Hause zurück. »Ich hab Mom und Dad nicht gesagt, wo ich hingehe«, flüsterte sie Eliza zu. »Ich will nicht wieder nach Hause … vorerst jedenfalls nicht.«
Tilly hörte es und sah Katies unglückliches Gesicht. Die Verzweiflung des Mädchens ging ihr zu Herzen.
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