Im Schatten des Teebaums - Roman
ausgehen willst, als ihr auf der Schule wart.«
Tilly blieb die Luft weg. »Das hast du doch nicht wirklich getan!«
»Doch. Er ist rot geworden wie ein Schuljunge, wenn er nur deinen Namen genannt hat. Deshalb war meine Neugier geweckt.«
Tilly schüttelte den Kopf, musste aber unwillkürlich lächeln.
Eliza beobachtete ihre Tante genau, ehe sie fortfuhr: »Er sagte, er hätte dich nicht gefragt, weil du und mein Vater ineinander verliebt wart …« Jetzt war es heraus. Eliza wartete ängstlich auf Tillys Reaktion.
Für einen Moment spiegelte sich Bestürzung auf Tillys Gesicht. Sie hatte keine Ahnung, was sie darauf erwidern sollte; deshalb sah sie zu Sheba hinunter. »Ist das ein Schock für dich?«
»Dann stimmt es also?«
»W ir waren ineinander verliebt, ja, aber das ist lange her, und ich will lieber nicht darüber reden.« Tilly erhob sich.
»Ich glaube, ich begreife allmählich, warum es die Feindseligkeit zwischen dir und Mom gibt«, sagte Eliza und stand ebenfalls auf.
Tilly sah sie schweigend an, die Lippen zusammengekniffen.
»Sag mir nur eins, Tante Tilly. Hat mein Vater dir das Herz gebrochen?«
»Ich habe es dir doch gesagt, Eliza, ich will nicht darüber reden.«
In Elizas Augen war das Antwort genug, und diese Antwort lautete Ja. Wie kann Dad das getan haben?, fragte sie sich. Er konnte doch nicht so kalt, so herzlos und egoistisch gewesen sein, dass er die Beziehung beendet hatte, nachdem Tilly so entsetzlich entstellt worden war? Eliza musste es wissen!
»Ich will mal sehen, ob mein Eingemachtes einen Preis gewonnen hat«, sagte Tilly, verzweifelt bemüht, weiteren Fragen nach Richard und Henrietta aus dem Weg zu gehen. »W ir treffen uns wie vereinbart vor der Kirche.« Sie eilte davon, als wäre der Teufel hinter ihr her.
Eliza hoffte, ihre Tante nicht allzu sehr aus der Fassung gebracht zu haben. Doch auch sie selbst stand noch immer unter dem Schock der Neuigkeit. Damit hätte sie im Traum nicht gerechnet. Vor allem eine Frage quälte sie: Wie war ihr Vater letztendlich mit ihrer Mutter zusammengekommen, wenn er doch in ihre Tante verliebt gewesen war? Vater musste Tilly verlassen haben. Doch Eliza konnte nicht glauben, dass ihr Vater so herzlos gewesen war.
Sie ging in Richtung Kirche, in Gedanken vertieft, als sie mit Brodie zusammenstieß.
»Hoppla!«, sagte er und hielt sie fest. »Sie sind ja auf einem ganz anderen Stern, Eliza. Worüber grübeln Sie nach?« Er fragte sich, ob es ihr »Beinahe-Kuss« war.
»Ach, nichts«, sagte Eliza geistesabwesend.
Brodie musterte sie besorgt. Eliza sah blass aus.
»W as ist los?«, fragte er.
»Ich habe nur über ein Gespräch nachgedacht, das ich mit meiner Tante geführt habe«, erwiderte sie und wechselte das Thema, um sich von ihren eigenen sorgenvollen Gedanken abzulenken. »Haben Sie auf den Farmen etwas gefunden, was darauf hindeutet, dass dort ein Tiger gewesen ist?«
»Nein«, sagte Brodie. »Das zerfetzte Schaffell auf Jocks Grundstück war mindestens zwei Tage alt, und auf den anderen Farmen habe ich nichts entdeckt, was darauf schließen lässt, dass der Tiger Schafe gerissen hat.« Auf John Wards Grundstück hatte er zwar ein Stück niedergerissenen Zaun entdeckt, aber das konnte ebenso gut das Vieh gewesen sein. Brodie hatte auch nach Hinweisen wie Tigerspuren und sogar nach den Fußabdrücken von Schafdieben Ausschau gehalten, aber nachdem John Ward überall herumgetrampelt war, hatte er sämtliche Spuren verwischt, die Brodie vielleicht hätte finden können.
»W as glauben Sie, was mit den verschwundenen Schafen passiert ist?«
»Ich bin mir nicht sicher.«
»Kann es sein, dass sie von jemandem gestohlen wurden?«
»Möglich. Aber das können Sie nicht in einer Zeitung drucken – nicht ohne Beweise.«
Eliza war ein bisschen verärgert, dass er ihr nicht vertraute. »Ich hatte nicht die Absicht, einen Artikel darüber zu schreiben.« Warum sah er eigentlich immer nur die Reporterin in ihr und nicht eine Frau mit Gefühlen?
»Hallo!«, rief Mary Corcoran und kam zu ihnen. »Ich habe Sie schon gesucht, Mr. Chandler.«
»W as gibt es denn?« Brodie erwartete, dass jemand sich wegen des Tigers gemeldet hatte.
»Ihr Zimmer ist jetzt wieder bewohnbar. Den Teppich muss ich allerdings irgendwann auswechseln, er riecht ein bisschen muffig. Aber Sie können jederzeit zurückkommen.«
»Heute geht das leider nicht mehr. Ich habe den Wagen für Matilda in die Stadt gefahren und muss ihn wieder
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