Im Schatten des Vaters
alles in Ordnung, und den Piloten wegschicken, sodass er gar nicht wiederkam? Das war nicht auszuschließen, und er musste weg hier, Roy musste hier weg. Roy ließ die Fische fallen und seine Rute und rannte schneller.
Er war bloß ein paar hundert Meter vom Ziel entfernt, als er erneut das Dröhnen des Flugzeugs hörte, stehen blieb und sah, wie es aus ihrer Bucht schoss, die eigene Gischt abschüttelte und wackelnd über dem Kanal abhob. Da stand er und blickte dorthin, wo es verschwunden war, und atmete schwer mit dem Gefühl, dass etwas Schreckliches passiert war.
Es ist weg, sagte er laut. Ich hab es verpasst.
Er holte seine Angel und den Lachs und ging zur Hütte.
Sein Vater arbeitete wieder am Holzstapel. Tom war hier, sagte er, als Roy kam.
Hab ich gehört.
Ach. Na, er war nur ganz kurz hier, aber ich habe die Vorräte bestellt, die wir brauchen, er bringt sie nächste Woche vorbei, auf dem Weg nach Juneau. Wobei, wohl nicht direkt auf dem Weg. Und da grinste sein Vater zufrieden, weil sie so gottverlassen wohnten.
Roy trug seine Lachse ans Wasser, um sie auszunehmen. Er schuppte sie schnell ab und schnitt Kopf, Schwanz und Flossen ab. Er wollte hier raus. Egal, wie sein Vater das fand; er würde einfach gehen.
Du willst weg?, fragte sein Vater, als Roy es ihm beim Essen sagte.
Roy wiederholte es nicht, sondern aß weiter. Er hatte schreckliche Gewissensbisse, als würde er seinen Vater umbringen.
Wir machen uns doch ganz gut, oder?, fragte sein Vater.
Roy blieb stur. Er sagte nichts.
Ich verstehe das nicht, sagte sein Vater. Endlich kommen wir voran. Wir bereiten uns gerade auf den Winter vor.
Wozu?, fragte sich Roy. Damit wir ihn überleben? Aber er sagte nichts.
Hör zu, sagte sein Vater. Du musst schon mit mir darüber reden, sonst bleibst du einfach hier, basta.
Okay, sagte Roy.
Warum musst du weg?
Ich will meine Freunde wiederhaben und mein richtiges Leben. Ich will nicht bloß versuchen, den Winter zu überleben.
Verständlich. Aber was ist mit mir? Du hast gesagt, du bleibst ein Jahr hier, und ich habe mich darauf eingestellt. Ichhabe meine Arbeit aufgegeben und dieses Haus hier gekauft. Was soll ich machen, wenn du einfach gehst?
Weiß ich nicht.
Darüber hast du gar nicht nachgedacht, hm?
Nein. Roy hatte ein furchtbar schlechtes Gewissen. Tut mir leid, sagte er.
Schon gut, sagte sein Vater. Wenn du gehen musst, musst du gehen. Ich werde dich nicht aufhalten.
Da wollte Roy auf der Stelle sagen, dass er bleiben würde, aber das brachte er nicht fertig. Er wusste, hier draußen würde Fürchterliches mit ihm geschehen, wenn er blieb. Er wusch ab und legte sich hin.
Weißt du, sagte sein Vater in der Nacht, als sie da lagen und nicht schliefen, es ist zu chaotisch hier. Du hast recht. Um das durchzustehen, braucht es einen Mann. Einen Jungen hätte ich nicht herbringen sollen.
Roy konnte nicht fassen, dass sein Vater so mit ihm sprach. In dieser Nacht schlief er nicht. Er wollte weg. Er wollte hier raus. Doch im Laufe der Nacht wurde ihm klar, dass er bleiben würde. Er stellte sich die ganze Zeit seinen Vater vor, allein hier draußen, und er wusste, sein Vater brauchte ihn. Am Morgen hatte Roy so schlimme Gewissensbisse, dass er Pfannkuchen machte und zu seinem Vater sagte, Ich habe noch mal darüber nachgedacht, und ich glaube, eigentlich will ich doch nicht weg.
Ehrlich?, sagte sein Vater, ging auf den Jungen zu und legte ihm den Arm um die Schultern. So ist es recht, sagte er strahlend. Wir packen das schon. Wir bekommen frische Vorräte und lagern reichlich Fisch und Fleisch ein, und ich habe eine neue Idee für das Dach vom Depot. Ich habe mir gedacht . . .
Und sein Vater redete immer weiter, aufgeregt, allerdings hörte Roy ihn nicht mehr. Er glaubte nicht mehr an aufregendePläne. Ihm war, als hätte er sich gerade in ein Gefängnis gesperrt, aus dem er jetzt nicht mehr rauskam.
An dem Tag fingen sie an, Heidelbeeren zu pflücken. Sie waren seit über einem Monat hier, Ende Juli jetzt, und obwohl es für Beeren noch ein wenig früh war, taugten sie schon für Marmelade. Sie füllten sie in Tiefkühlbeutel, und Roy erinnerte sich an Ketchikan und an seinen roten Mantel mit der Kapuze und die vielen Male, die sie auf den Hügel hinterm Haus gestiegen waren, um Heidelbeeren zu pflücken. Sie hatten Eis angerührt, cremig und fett, und die Beeren untergehoben. Er erinnerte sich auch an die rauchige Luft und all die Herbstfarben. Nicht nur die Bäume verfärbten sich in
Weitere Kostenlose Bücher