Im Schatten des Vaters
ab, und Roy sah zu, wie sein Vater arbeitete, mit grimmigem unrasiertem Gesicht, während ihm kalter Regen von der Nase tropfte. Da wirkte er so robust wie eineSteinskulptur mit ebenso unverrückbaren Gedanken, und Roy konnte diesen Vater nicht mit dem anderen in Einklang bringen, dem, der weinte und verzweifelte und nichts Bleibendes an sich hatte. Obwohl Roy über ein Gedächtnis verfügte, schien der Vater, mit dem er jeweils gerade zusammen war, der einzig mögliche Vater zu sein, als könnte jeder zu seiner Zeit all die anderen wegbrennen.
Als sie die Latten für beide Dächer zurechtgeschnitten hatten, platzierten sie sie vorsichtig und traten zur Begutachtung zurück. Die Wände um die Latten herum wurden bereits ausgewaschen, sodass das Dach kippte, kleine Schlammrinnsale überall in dem Dauerregen.
Einige Latten sind weich, sagte sein Vater. Der Regen greift sie an. Na ja.
Wie können wir verhindern, dass es einstürzt?
Keine Ahnung. Wir haben nicht genug Plane. Vielleicht hab ich’s verbockt. Vielleicht war es zu früh. Jetzt sollten wir uns wohl einfach um die Vorräte kümmern.
In der Nacht musste Roy nicht lange warten, bis er seinen Vater weinen hörte. Nach wenigen Minuten war es so weit, und sein Vater versuchte nicht mehr, es zu verbergen.
Tut mir leid, sagte er. Es ist nicht das Depot oder irgendwas in der Richtung. Es geht um andere Dinge.
Was denn?
Na ja, mein Kopf tut die ganze Zeit weh, aber das ist es nicht.
Dein Kopf tut weh?
Ja. Seit Jahren schon. Wusstest du das nicht?
Nein.
Na ja.
Warum tut er weh?
Sind einfach die Nebenhöhlen, und eigentlich sollten sieoperiert werden, aber ich habe mich nicht drum gekümmert. Das geht auch nicht immer gut und ist ein grässlicher Eingriff. Aber das ist nicht das Problem. Das schwächt mich einfach nur und bringt mich leichter zum Weinen und macht mich müde. Viel schlimmer ist, dass ich offenbar nicht alleine sein kann.
Und sein Vater fing wieder an zu weinen. Ich weiß, dass ich nicht alleine bin, wimmerte er. Ich weiß, dass du hier bist. Aber trotzdem bin ich allein. Ich kann es nicht erklären.
Roy wartete, aber sein Vater weinte nur noch, und zwar eine ganze Weile, und Roy wusste nicht, wie es sein konnte, dass er hier war und für seinen Vater trotzdem nicht da zu sein schien.
Der Regen hielt an, und das Depot wurde weiter ausgewaschen. Roy und sein Vater standen am Rand und sahen auf die umgefallenen Latten hinab, dachten nach und sagten nichts, bis sein Vater schließlich sagte, Na, dann ziehen wir jetzt das ganze Holz raus und fangen neu an, wenn der erste Schnee fällt.
Roy glaubte nicht, dass sie noch da wären, wenn der erste Schnee fiel, nickte aber, als sein Vater hinunterkletterte, nahm die Teile entgegen, die er ihm reichte, und trug sie in die Hütte zurück. Roy wusste, dass diese Enttäuschung für seinen Vater irgendwie größer war als die anderen Enttäuschungen. Er bezweifelte, dass er ihm in dieser Situation zuhören würde. Er hatte inzwischen begriffen, dass sein Vater oft in Gedanken abdriftete und unerreichbar wurde und dass dieses Alleinsein mit seinen Gedanken gar nicht gut war, dass er immer weiter hinabsank, wenn er sich dort aufhielt.
Sie stapelten das Holz an einer Seitenmauer, und als sie fertig waren, sahen sie erneut nach der Grube, dem Schlamm,der tiefer wurde, den Wänden, die einstürzten, und beide blickten in den Himmel, ins Grau, das keine Tiefe und kein Ende hatte, und dann gingen sie ins Haus.
Als ein paar Tage später das Flugzeug kam, war Roy mehrere Meilen die Küste hoch beim Angeln. Er meinte, etwas gehört zu haben, hielt es dann für Einbildung, horchte erneut und hörte es wieder. Er holte seine Schnur ein, nahm die beiden Lachse, die er gefangen hatte, und fing an zu laufen. Doch er war so weit weg und durch so viele kleine Landzungen abgeschnitten, dass er nicht sehen konnte, wie es in ihre Bucht einflog. Er rannte über den steinigen Strand und, wenn nötig, in den Wald hoch und wieder hinunter und hatte immer mehr Angst, es zu verpassen. Er nahm an, dass sein Vater gerade Holz hackte, aber wenn er aus irgendeinem Grund wieder über den Berg gewandert war, und es war keiner zu Hause? Der Pilot würde vielleicht lange Zeit nicht wiederkommen, nur eine Nachricht hinterlassen, Rufen Sie mich über Funk an, wenn Sie etwas brauchen. Und da war noch was anderes, das Roy nicht zugeben wollte. Selbst wenn sein Vater da wäre, was würde er sagen? Würde er womöglich sagen, es sei
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