Im Schatten des Verraeters
fuhr fort: »Es ist keine Logik im ganzen, Katina. Nirgendwo eine Antwort. In dieser verrückt gewordenen Welt gibt es nur eines, woran ich mich halten kann - an die Tatsache, daß ich mit Bestimmtheit weiß, diejenigen, die mir damals halfen, nicht verraten zu haben.«
»Ich weiß es, Hugh«, sagte sie. »Ich glaube Ihnen und Oliver ebenfalls. Er möchte Sie sehen. Er meint, er könne Ihnen vielleicht helfen. Wollen Sie mit mir in die Villa hinauskommen?«
»Was habe ich schon zu verlieren?« sagte er. »Außerdem würde ich Van Horn in jedem Fall gern wiedersehen.«
Sie ging zur Tür. »Ich warte unten auf Sie. Ich möchte noch ein Wort mit Anna reden, bevor wir gehen.«
Er verzichtete auf das Rasieren und zog sich schnell vollends an. Als er ein paar Minuten später in das heiße Sonnenlicht auf dem Platz unten hinaustrat, saß Katina hinter dem Lenkrad des Jeep und redete mit Kytros.
Als Lomax sich näherte, drehte sich der Polizeisergeant um und betrachtete ihn kritisch. »Sie scheinen in beträchtlich besserer Verfassung zu sein als Dimitri.«
»Wie geht es ihm?« fragte Lomax.
»Als ich ihn zuletzt sah, mußte einiges in seinem Gesichtgenäht werden«, antwortete Kytros. »Aber unterschätzen Sie ihn nicht. Es bedarf mehr als einer Tracht Prügel, um ihn auf den Rücken zu zwingen. Er hat eine eiserne Konstitution, und seine Fähigkeit zu hassen hat etwas Erschreckendes.«
»Soll ich das als Warnung auffassen?«
Kytros nickte ernst. »Bleiben Sie nachts von den Straßen weg, Mr. Lornax. Es gibt Leute hier, die Sie umbringen möchten, und es wäre mir lieber, Sie würden es ihnen nicht allzu leicht machen.«
»Mit Vergnügen.« Lomax stieg neben Katina in den Jeep. »Sonst noch etwas?«
»Die vermutlich einzige erwähnenswerte Erbschaft der deutschen Besatzung ist unser Telefonsystem«, sagte Kytros. »Es wäre nützlich, wenn Sie mich über das, was Sie unternehmen, informieren würden. Wenn ich nicht in meinem Büro bin, wird der Mann in der Vermittlung vermutlich trotzdem Kontakt mit mir aufnehmen können.«
Er trat zurück, und Katina fuhr über den Platz. Als sie in eine der Seitenstraßen einbog, fragte sie: »Werden Sie tun, was er sagt?«
Lomax nickte. »Warum nicht, wenn es ihn glücklich macht?«
Sie konzentrierte sich aufs Fahren, lenkte den Jeep geschickt durch die engen, gewundenen Straßen. Außerhalb der Stadt gab es eine neue Brücke über die Schlucht, das Spinnweb aus Stahl ersetzte das Gemäuer der alten Brücke, aber sonst schien sich nichts verändert zu haben.
Lomax zündete sich eine Zigarette an, wobei er schützend die Hände gegen den Wind wölbte, und drehte sich dann ein wenig zur Seite, um Katina ansehen zu können.
»Wo ist Yanni?« fragte er.
Sie lächelte. »Ich habe ihn in der Küche zurückgelassen, wo
er wie ein Wolf alles hinunterschlingt, was man ihm vorsetzt.«
»Bei wem - bei der alten Maria?«
Ihr Lächeln schwand. »Maria ist vor langer Zeit in Fonchi umgekommen. Sie nahmen sie mit, als sie Oliver verhafteten.«
Er stöhnte, als er sich der alten Frau und ihrer Güte erinnerte. Dann kam ihm ein anderer Gedanke, und er fragte: »Was ist aus seiner Tante geworden?«
»Sie versuchte meinen Onkel zu warnen, als sie kamen, um ihn zu holen. Sie haben sie unten auf der Treppe erschossen.«
»Wahrscheinlich noch etwas, wofür er mich verantwortlich macht, wie?« sagte Lomax bitter, aber sie antwortete nicht, und die Fahrt wurde schweigend fortgesetzt.
Als sie den Jeep im Hof vor den Ställen hinter der Villa anhielt, war es dort heiß und ruhig, und nichts hatte sich verändert.
Die Zeit stand still, Vergangenheit und Gegenwart verschmolzen und überzogen alles mit einem Hauch von Unwirklichkeit.
Als er ihr den schmalen Weg zwischen den Olivenbäumen entlang folgte, blieb dieses Empfinden erhalten, und was er vorfand, als sie die Stufen zur Terrasse emporstiegen und dann ins Haus traten, verstärkte das Gefühl des Unwirklichen noch.
Alles war genauso wie vor siebzehn Jahren. Der große gemauerte Kamin, der Flügel, sogar die mit Büchern gefüllten Regale; er blieb stehen und berührte sie sachte mit der Hand.
Er schwankte plötzlich, von einem vagen Schwindelgefühl überwältigt, und Katina fragte besorgt: »Was ist mit Ihnen?«
Er holte tief Luft und nahm sich zusammen. »Kein Grund zur Beunruhigung. Es ist nur so, als ob in einer merkwürdigen Weise
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