Im Schatten des Verraeters
Monaten?«
»Es war nichts dergleichen. Er verließ eines Morgens mit einem der Landungsboote die Insel, um zu einer Militärkonferenz auf Kreta zu fahren. Genau wie von Ihnen hörte man danach nie mehr etwas von ihm. Sein Nachfolger ließ mich nach Fonchi schaffen, sobald er das Kommando hier übernommen hatte. Ich war bis zum darauffolgenden Jahr dort, bis sich die Deutschen in Griechenland ergaben.«
»Der Standortarzt hat sich jedenfalls gewaltig geirrt, als er behauptete, Sie würden das keine drei Monate überleben«, bemerkte Lomax.
Die Herausforderung war unverkennbar und lag zwischen ihnen wie ein Schwert. In die Stille hinein sagte Van Horn ruhig: »Es hat den Anschein, als hegten Sie einige Zweifel an dem, was ich erzählt habe. Vielleicht kann ich Sie mit etwas Konkreterem als Worten überzeugen.«
Er stand auf, knöpfte sein cremefarbenes Strandhemd auf, zog es aus und drehte sich um. Von seinen Schultern bis unten zum Steißbein war sein Rücken mit einem Netz von Narben überzogen, lange, erhöhte Striemen, die einander überkreuzten und ein häßliches Spinnweb bildeten, dessen Ursache eindeutig war.
Er zog sein Hemd wieder an. »Nicht sonderlich hübsch, wie? Fünfzig Schläge, weil ich einen Wachtposten geschlagen habe - und das war noch milde, verglichen mit dem, was sie mit einigen anderen Leuten anstellten.«
»Und das haben Sie überlebt?« fragte Lomax langsam.
Van Horn begann sein Hemd zuzuknöpfen. »Ich war ganz unten, Lomax. Am äußersten Punkt der Erniedrigung angelangt. Es ist merkwürdig, aber wenn man so tief unten ist, wird man so voller Haß gegen die Leute, die Sie dahin gebracht haben, daß Ihnen das neue Energien gibt. Ich schwor mir, lebend durch dieses Tor dort zu gelangen. Genau genommen mußten sie mich dann hinaustragen, aber zumindest habe ich noch gelebt.«
Lomax stand auf, ging zur Balustrade und blieb dort stehen. Vor seinem inneren Auge sah er wieder Van Horns vernarbten Rücken vor sich, dachte an diejenigen, die gestorben waren, und an Katina und ihre eigene, geheime Qual.
Nach ein paar Sekunden trat Van Horn neben ihn und sagte leise: »Ich fürchte, Sie müssen anderswo nach Ihrem Verräter suchen.«
»Haben Sie irgendwelche Vorschläge?« fragte Lomax.
Van Horn schüttelte den Kopf und seufzte. »Selbst wenn ich es wüßte, ich bin nicht überzeugt, daß ich es Ihnen sagen würde.«
Eine Weile starrte Lomax in das gutgeschnittene Gesicht und die blauen Augen, die voller Mitleid waren, dann drehte er sich schnell um und kehrte ins Haus zurück.
13. Zum anderen Ende der Zeit
Er ging die Stufen von der Terrasse hinab und durch den Garten, wobei ihm dessen Frische nach der Hitze des Tages bewußt wurde. Der Himmel war gegen den Horizont hin von einem zornigen Rot, die Zypressen vor der Mauer zeichneten sich wie schwarze Spitzen dagegen ab, aber unmittelbar über ihnen wurde das Karminrot von einem dunkelblauen Gewölbe aufgesogen, in dem der Abendstern bereits funkelte.
Er konnte das Plätschern eines irgendwo zwischen den Büschen verborgenen Springbrunnens hören, und als er durch ein kleines Gartentor ging, stand er plötzlich oben auf den Klippen.
In diesem Augenblick tauchte Yanni auf und prallte fast gegen ihn. Er blickte überrascht auf und grinste dann unverschämt. »Oh, Sie sind's, Mr. Lomax.«
»Und wohin rennst du in solcher Eile?« erkundigte sich Lomax.
»In die Küche.« Der Junge grinste noch breiter. »Katina hat mich gebeten, der Köchin zu sagen, sie solle das Essen anrichten.«
»Ist sie am Strand unten?« fragte Lomax.
Yanni nickte. »Ich habe ihr geholfen, das Boot startbereit zu machen. Sie und Mr. Van Horn fahren am Samstag nach Kreta. Katina sagt, ich dürfe Schiffsbesatzung spielen, wenn ich mich anständig benehmen würde.«
»Dann sieh zu, daß du das fertigbringst.« Lomax zerzauste das Haar des Jungen. Yanni grinste und schoß durch das Tor in Richtung des Hauses davon.
Der Strand konnte über eine Reihe von Steinstufen erreicht werden, die im Zickzack und mehr oder minder aufs geratewohl zwischen den Klippen hinabführten. Lomax war leicht in Schweiß gebadet, als er unten ankam. Er ging die Mole entlang und sah Katina auf halbem Weg um die Bucht herum knietief im Wasser stehen. Den Rock ihres Kleides hielt sie mit einer Hand vorne in die Höhe, ihr Gesicht war dem Sonnenuntergang zugewandt.
Es war irgend etwas Unbezwingbares an ihr, etwas
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