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Im Schatten des Verraeters

Im Schatten des Verraeters

Titel: Im Schatten des Verraeters Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack Higgins
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senkte das Kopfende des Operationstischs hinab, Lomax starrte ins Licht empor und versank nach einiger Zeit in Schlaf.

      Als er erwachte, lag er auf einer Bahre in einer Ambulanz. Zwei Sanitäter in Felduniform saßen neben ihm, er wandte ihnen matt das Gesicht zu und runzelte die Stirn. »Wo bin ich? Was ist los?«
      Einer von ihnen beugte sich über ihn, es war ein ganz junger Bursche mit freundlichem Gesicht, die Augen unter der Feldmütze waren ernst. »Kein Grund zur Beunruhigung. Sie kommen nach Kreta, das ist alles. Ihr Bein muß einer Spezialoperation unterzogen werden.«
      Lomax lag in völliger Benommenheit da und versuchte, irgendeinen Sinn in dem ganzen zu finden, aber es war ihm unmöglich, sich zu konzentrieren. Dann hielt der Ambulanzwagen, die Tür wurde geöffnet, und man hob ihn heraus.
    Es war früh am Morgen, der Himmel war grau und bedeckt, ein leichter Regen fiel, und ein kalter Wind fuhr über den Hafen weg. Dreißig oder vierzig Leute, zumeist Fischer, standen in kleinen Gruppen auf dem Pier und unterhielten sich. Nur wenige Frauen hielten sich bei ihnen auf. Neugierig traten sie näher, als die beiden Sanitäter die Bahre aufhoben, und Wachposten mußten ihnen einen Weg bahnen.
      Es dauerte ein, zwei Minuten, um die Bahre die Gangway zu dem wartenden Landungsboot hinabzuschaffen, und die Sanitäter legten ihn aufs Deck neben dem Ruderhaus nieder. Sie blieben neben ihm stehen, als die Matrosen schnell ablegten.

      Als das Wasser am Heck zu schäumen begann und das Boot sich vom Pier entfernte, drängten sich die Leute schweigend vorwärts an den Rand. Lomax starrte hinauf in die Reihe blasser, bedeutungsloser Gesichter, seine Sicht war leicht verschwommen - und dann sprang ihn Katinas Anblick förmlich an.
      So war sie also in Sicherheit? Das war wenigstens ein Grund zur Dankbarkeit. Sie trug ein Kopftuch und sah genauso aus wie an jenem ersten Abend, sehr jung, die Augen lagen wie Schatten in dem bleichen Gesicht. Ein Kloß schien ihm im Hals zu stecken, der ihn zu ersticken drohte.
    Er lag da auf dem Deck, der kalte Regen fiel ihm ins Gesicht, und als die Insel im Nebel zu verschwinden begann, schoß eine Möwe über seinen Kopf weg und jagte durch den grauen Morgen wie ein entschwindender Geist.

    12. Man sollte niemals zu irgend etwas
    zurückkehren

      Als er erwachte, hielt seine Rechte noch immer fest die Münze umklammert. Er starrte darauf, einen Ausdruck der Verwirrung auf dem Gesicht, sein erster klarer Gedanke war, daß sie gar nicht in seinem Besitz sein sollte - dann fiel ihm wieder alles ein.
      Vergangenheit und Gegenwart hatten sich so unentwirrbar miteinander vermischt, daß es schwierig war, irgendwo einen Sinn zu erkennen. Er legte die Münze und die Kette auf das Nachttischchen neben dem Bett, schwang die Beine auf den Boden und blieb sitzen, bemüht, sich wieder zurechtzufinden.
      Wer bin ich? dachte er. Der ›Werwolf‹ oder Hugh Lomax, wohnhaft in Kalifornien, Drehbuchautor und so was wie Schriftsteller? Darauf gab es keine Antwort, zumindest keine ausreichende. Er war sich selbst ein Fremder geworden.
    Er stand auf und ging zum Waschtisch hinüber.
      Ein dumpfer Schmerz war an seiner Seite zu spüren, dort, wo ihn ein Stiefel getroffen hatte, seine rechte Wange hatte eine üble Schramme. Er zog sein Hemd aus und goß sich lauwarmes Wasser über das Gesicht.
      Als er sich eben abtrocknen wollte, wurde an die Tür geklopft, und Katina trat ein.

      Sie trug dasselbe seidene Kopftuch und cremefarbene Leinenkleid wie zuvor, schloß die Tür hinter sich und lächelte. »Wie fühlen Sie sich?«
      Er grinste. »Zu alt für Raufereien mit Männern, die halb so alt sind wie ich.«

      Sie öffnete seinen Koffer, nahm ein sauberes Hemd heraus und knöpfte es auf. »Was haben Sie jetzt getan?«

    »Ich bin in die Vergangenheit zurückgekehrt«, antwortete er.
    »Und habe versucht, Sinn in das ganze zu bringen.«
      »Ein gefährliches Spiel. Es heißt, man solle niemals zu irgend etwas zurückkehren.«

      »Ich beginne zu glauben, daß das auch richtig ist. Ich bin mir nicht einmal mehr sicher, wer ich überhaupt bin.«

      »Sie sind Hugh Lomax«, sagte sie und fügte mit schier unheimlichem Einfühlungsvermögen hinzu: »Der ›Werwolf‹ ist schon vor langer Zeit gestorben.«

      »Da bin ich nicht so sicher«, sagte er. »Heute nachmittag hätte er fast einen Menschen umgebracht.«

      Darauf wußte sie keine Antwort, und er

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