Im Schatten des Verraeters
allen anderen Inseln.«
»Und eine geplante Invasion Kretas war der Vorwand für die gesamte Kyros-Operation«, sagte Lomax. »Wahrscheinlich halten Sie nachträglich das ganze für eine reine Zeitvergeudung?«
Van Horn sah milde überrascht drein. »Habe ich je vorgegeben, es für etwas anderes zu halten? Alles war ja sehr romantisch damals hier in der Ägäis mit Ihrer nächtlichen Landung und Ihrer legalisierten Räubereskapade, aber tun wir doch nicht so, als hätte sie die mindeste Wirkung auf den Ausgang des Krieges gehabt.«
Blinder, völlig unvernünftiger Zorn wallte in Lomax auf. »Ein Jammer, daß Joe Boyd und ein oder zwei andere, die ich anführen könnte, nicht mehr da sind, um Sie das sagen zu hören.«
»Ich könnte Ihnen meinerseits ein paar Namen nennen«, sagte Van Horn gelassen. »Die alte Maria, Alexias' Frau und andere. Unschuldige Personen, die kaum wußten, worum es sich drehte. Fonchi war schon schlimm genug, aber was war mit den Frauen und jungen Mädchen wie Katina, die in die Truppenbordelle in Griechenland geschickt wurden? Das waren die wirklichen Opfer.«
Er sprach weiter, aber Lomax hörte es nicht mehr. Er schloß die Augen und wurde in ein dunkles, lautloses Vakuum eingesogen. Die Qual war fast physisch spürbar, ein harter Klumpen, der sich in seiner Kehle bildete, ihn zu ersticken drohte. Er taumelte zur Balustrade und übergab sich heftig.
Er blieb eine Weile dort, starrte ins Leere, und langsam kehrten die Geräusche in sein Bewußtsein zurück, und er merkte, daß Van Horn neben ihm stand und ihm ein Glas hinhielt.
Während sich sein Inhalt brennend den Weg in seinen Magen hinab bahnte, sagte Van Horn ruhig: »Tut mir leid... Ich dachte, Sie wüßten das.«
»Das einzige, was sie bei ihren Erzählungen ausließ«, flüsterte Lomax.
Van Horn legte freundlich eine Hand auf seine Schulter. Dann kehrte er zu seinem Stuhl zurück, und Lomax zündete sich eine Zigarette an, blieb stehen und starrte weiterhin ins Leere.
Nach einer Weile drehte er sich um und sagte ruhig: »Katina hat mir erzählt, Sie seien der einzige Mensch außer ihr selbst, den sie kenne, der glaubt, daß nicht ich Sie alle an Steiner verraten habe.«
Van Horn goß sich erneut sein Glas ein. »Das stimmt.«
»Darf ich fragen, warum?«
Van Horn zuckte die Schultern. »Sagen wir mal, es scheint mir untypisch.«
»Und Sie finden, das reiche als Grund aus?«
»Ich bin Schriftsteller, vergessen Sie das nicht. Menschen gehören zu meinem Geschäft.«
Lomax ließ sich am Tisch nieder. »Erzählen Sie mir was
passierte, nachdem Sie verhaftet wurden.«
»Ein ziemlich übertrieben diensteifriger junger Offizier traf mit einer Gruppe Soldaten ein und durchsuchte das Haus, ohne mir eine Erklärung abzugeben. Das war, als die Amphore in Stücke ging. Hinterher brachten sie mich ins Hauptquartier zu Steiner. Der sagte ganz einfach, er sei darüber informiert, daß ich Sie und Boyd beherbergt hätte. Natürlich erklärte ich ihm, ich wisse nicht, wovon er spräche.«
»Und wann wurde zuerst erwähnt, daß ich ihm die Informationen gegeben hätte?«
»Ich hörte es zuerst einen Monat später von einem der Wachtposten im Stadtgefängnis.«
»Man hat Sie also nicht sofort nach Fonchi geschickt?«
»Ich war zunächst drei Monate hier im Gefängnis. Die meisten von der Insel waren bereits dort, als ich in Fonchi eintraf.«
»Einschließlich Alexias?«
»Der war nie in Fonchi. Sie schickten ihn direkt ins GestapoGefängnis nach Athen. Vermutlich glaubten sie, ihn zu gegebener Zeit doch ausquetschen zu können. Sie wußten, daß er mit dem EOK auf Kreta zusammengearbeitet hatte.«
»Aber warum behielt man Sie hier im Stadtgefängnis, während die anderen nach Fonchi kamen?«
»Das war Steiners Arrangement. Er wußte, daß meine Gesundheit nicht gut war, und der Standortarzt sagte ihm, ich würde in Fonchi keine drei Monate am Leben bleiben. Ich glaube, er versuchte für mich sein Bestes zu tun.«
»Und warum das?« fragte Lomax geradeheraus.
»Er mochte mich. So einfach war das.« Van Horn zuckte die Schultern. »Vergessen Sie nicht, wir spielten jede Woche miteinander Schach. Wenn ich sie brauchte, versorgte er mich mit schwer zu bekommenden Medikamenten, die vielen das Leben retteten. Er war skrupellos, kaltblütig - aber kein schlechter Mensch.«
»Warum dann also dieser Wechsel seiner Ansicht nach drei
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