Im Schatten des Verraeters
mit Salzwasserflecken versehen, und Lomax lachte leise und küßte sie sanft auf die Wange. »Zieh dich vor dem Essen besser um. Wir wollen Oliver auf seine alten Tage nicht schockieren.«
Sie gingen durchs Wohnzimmer in die Diele und blieben unten an der Treppe stehen. »Ich glaube, ich werde mich auch noch duschen«, sagte sie. »Wir sehen uns in einer halben Stunde.«
Er nickte. »Ich bin bei Van Horn auf der Terrasse draußen.«
Sie küßte ihn flüchtig und wandte sich ab. Er blieb stehen, war sich noch ihres Dufts bewußt, der in der Luft zu haften schien, und empfand eine seltsame Traurigkeit.
Eine kleine Weile lang war es ihm gelungen, der Welt des Hasses und der Gewalt zu entfliehen, in die er sich gestürzt hatte. Aber das, was er soeben am Strand erlebt hatte, war ein kurzer Vorgeschmack eines Glücks gewesen, das er nur behalten konnte, wenn er das siebzehn Jahre zurückliegende Geheimnis aufdeckte. Er begann zu zweifeln, ob das je möglich sein würde.
Van Horn saß auf der Terrasse im selben Segeltuchstuhl, rauchte eine Zigarette und blickte mit einem Nachtfernrohr aufs Meer hinaus.
»Ah, da sind Sie ja«, sagte er. »Haben Sie Ihren Spaziergang genossen?«
»Ich war am Strand unten«, erwiderte Lomax. »Sie haben da ein beachtliches Boot.«
Van Horn nickte. »Es ist sehr praktisch. Es bedeutet, daß ich nach Kreta fahren kann, wann immer mich die Lust dazu packt. Das Postboot kommt nur einmal pro Woche hierher.«
»Das weiß ich nur zu gut«, sagte Lomax.
Er lehnte sich gegen die Balustrade und blickte über die dunkel werdende See hinaus, und nach einer Weile sagte Van Horn leise: »Warum sind Sie zurückgekommen, Lomax? Warum - nach all diesen Jahren?«
Lomax zuckte die Schultern. »Mir war nach einer
Veränderung zumute, so einfach war das.«
»Aber nichts ist je einfach.«
Lomax wußte sofort, daß er recht hatte, runzelte die Stirn und versuchte, sich darüber ins klare zu kommen. Nach einer Weile sagte er: »Irgendwann - irgendwo scheine ich falsch abgebogen zu sein.«
»Sie wollten doch Schriftsteller werden, nicht wahr?«
Lomax nickte. »Oh, ich bin auch einer geworden. Nicht der große Romancier, den ich mir vorgestellt habe, oder etwas dergleichen, aber im Filmgeschäft bin ich recht erfolgreich.«
»Lernen, Kompromisse zu schließen, ist das Schwierigste im Dasein.«
Lomax lachte harsch. »In meinem Fall sieht es gelegentlich so aus, als ob das Leben die Kompromisse für mich geschlossen hätte. Ich erreichte ein Stadium, in dem der Morgen für mich den permanenten Geschmack eines toten Gestern hatte. Ich glaubte, daß ich, wenn ich in die Ägäis zurückkehrte und Zeit zum Nachdenken fände, vielleicht herausfinden würde, wo ich in die Irre gegangen war. Daß ich von vorne beginnen könnte.«
Van Horn seufzte. »Ist das nicht das, was wir alle gern tun würden und niemals schaffen? Wir würden nicht die gleichen Fehler zweimal machen - wir würden einfach neue begehen.« Er lächelte leicht. »Es gibt eine alte griechische Redensart: ›Für jede Freude geben die Götter zwei Sorgen.‹ Wir müssen das Leben akzeptieren, wie es ist, Lomax, und von da ausgehen.«
Lomax schüttelte den Kopf. »Das ist für meinen Geschmack zu fatalistisch. Ein Mensch muß bereit sein, sich zu wehren, wenn es hart auf hart kommt.«
»Vermutlich beabsichtigen Sie, eben das zu tun?«
Lomax nickte. »Ich bin mir völlig bewußt, daß ich eine Art moralische Verantwortung für das trage, was mit mir hier begonnen hat. Aber ich bin nicht unmittelbar schuld am Tod dieser Leute. Ich sehe nicht ein, daß ich das Kreuz für den tragen soll, der sie verraten hat.«
»Aber Sie haben nichts, worauf Sie aufbauen können. Sie wissen nicht einmal, wonach Sie suchen müssen.«
»Es ist eigentlich ganz einfach«, sagte Lomax. »Ich suche nach dem Mitglied der ursprünglichen Gruppe, das nicht ins allgemeine Muster paßt. Nach der Person, die offensichtlich aus diesem Verrat Nutzen zog.«
»Oder nach seiner Schwäche oder Furcht - haben Sie das in Betracht gezogen?« Van Horn schüttelte den Kopf. »Es wird nichts dabei herausspringen, Lomax. Jedes Mitglied der Gruppe hat in dieser oder jener Weise gelitten. Manche starben, der Rest hat das Kriegsende in Fonchi erlebt, und wir alle waren zusammen in dieser Hölle. Niemand wurde eine Sonderbehandlung zuteil, das kann ich Ihnen versichern.«
»Mit Ausnahme von Alexias«, sagte
Weitere Kostenlose Bücher