Im Schatten des Verrats (Hazel-Roman) (German Edition)
war."
"Doch nicht etwa Leutnant Shandelton?", fragte Lady Arabell verblüfft.
Verflixt! Sie kannte ihn. Also blieb ihr nichts anderes übrig, als ihr die Lügen zu erzählen, die Kirby ihr neulich entworfen hatte.
"Wir kennen uns schon aus Kindertagen, hatten uns aber zwischenzeitlich aus den Augen verloren. Erst vor wenigen Wochen haben wir uns wiedergesehen. Und dann dieser schreckliche Unfall! Aber es war sein letzter Wunsch, mich nicht allein und unversorgt zurückzulassen ..." Hazel zückte ein Taschentuch und drückte es gegen ihre Augen.
Bestürzt legte Lady Arabell ihre Hand auf Hazels Arm. "Ach, Sie Ärmste!", seufzte sie ergriffen, denn sie hatte natürlich auch schon von dem armen Vicomte gehört. Und zwei Todesfälle in so kurzer Zeit durchstehen zu müssen, das kam ihr, die ja selbst erfahren hatte, welch grauenhafte Umstände zu einem plötzlichen Todesfall dazugehörten, geradezu unmenschlich vor.
Mit einem Mal sah Lady Arabell Hazels Besuch in Madame Delacroix‘ Gefilden in neuem Licht. "Aber Sie dürfen um Himmels Willen nicht lauter graues und dunkles Zeugs bestellen!", stieß sie entsetzt hervor. "Bei Ihrer Jugend und Ihrem Teint wird das grässlich aussehen! Ihr Bruder hat Ihnen vielleicht erzählt, dass ich selbst Witwe bin, aber ich versichere Ihnen: keinen Tag habe ich diese Witwenfarben getragen. Einen Trauerflor trägt man natürlich, das versteht sich von selbst. Aber lassen Sie sich von niemandem einreden, dass sie diese düsteren Sachen tragen müssten!"
"Ach, Lady Arabell!", seufzte Hazel erleichtert, "Sie glauben nicht, wie dankbar ich Ihnen für Ihre Unterstützung in dieser heiklen Frage bin!"
Aus diesem Gespräch ergab sich nahezu folgerichtig eine Einladung zum Tee, die Hazel nicht abzulehnen wagte. Und so kam es, dass sie kurz darauf in Lady Arabells Salon saß und sich bei Tee und Pastetchen über die Schwierigkeiten, sich als junge Witwe in der Londoner Gesellschaft zu behaupten, austauschte.
Im selben Moment, in dem Hazel an ihrer Tasse mit ausgezeichnetem Darjeeling nippte, empfand Hayward beim Probieren des Heilwassers zweifellos weniger Vergnügen. Nur zwei Stunden in der Trinkhalle in Bath hatten Hayward dazu gebracht, seine optimistisch begonnene Suche zu bereuen. Ihm wurde sehr schnell klar, dass er die weite Reise völlig umsonst angetreten hatte. Natürlich war in den Verzeichnissen der Kurgäste keine Miss Hawthorne eingetragen, ebenso wenig gab es unter den Bewohnern der Stadt – er hatte es eigentlich ja längst geahnt - eine Mrs. Gwendoline Hawthorne. Falls Hazel überhaupt in Bath war, so lebte sie bei einer anderen Person oder sogar unter falschem Namen. Und sie zufällig zu treffen – das war angesichts der Schwemme von Sommergästen, die hier ein- und ausgingen, eine absurde Vorstellung.
Er bezog Quartier in der Mitte der Stadt und durchforstete Straßen und Gassen zu Fuß und zu Pferd, aber letztendlich musste er einsehen, dass eine solche Suche der einer Stecknadel im Heuhaufen glich. Desillusioniert trat er zwei Tage später seine Rückfahrt nach London an.
"Du warst in Bath?", fragte die Herzogin ihren jüngsten Sohn erstaunt. "Was zum Teufel hast du da getrieben?"
"Ich bin aus Gründen der Erholung und Gesundheit im Kurpark auf und ab spaziert und habe Wässerchen getrunken."
Lady Constance hob die Augenbraue. "Nun, wenn du so viel Zeit hast, mal eben nach Bath zu fahren, und jetzt völlig erholt bist, dann könntest du eigentlich Joshua Reynolds aufsuchen und dich nach meinem Portrait erkundigen."
"Ist das immer noch nicht fertig?", wunderte er sich.
Sie seufzte. "Es ist immer noch nicht da. Dabei müsste es längst fertig sein. Es ist ja schon Wochen her, dass ich ihm gesessen habe. Aber er hat das Kleid, den Schmuck und die Spitzen nur grob angelegt und wollte es noch sorgfältiger ausarbeiten. Und der Hintergrund fehlte auch noch. Er hat mir damals aber versprochen, dass es 14 Tage später fertig ist. Also ist es längst überfällig."
Hayward hatte zwar wenig Lust, schon wieder einen dieser überflüssigen Aufträge seiner Mutter zu erledigen (als ob das Bild schneller trocknen würde, wenn Hayward sich an Stelle seiner Mutter danach erkundigte), aber er wusste, dass es wenig Sinn hatte, sich dem Wunsch seiner Mutter zu widersetzen.
Also fuhr er zum Atelier des Meisters. Er ließ seine Karte abgeben. Nur wenige Minuten später empfing ihn Joshua Reynolds persönlich.
"Guten Morgen, Mylord. Das Porträt Ihrer Mutter ist
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