Im Schatten des Verrats (Hazel-Roman) (German Edition)
präsentierten.
Wie von Zauberhand herbeigerufen fand sich bald Mademoiselle Sousou ein – oder eher gesagt: Miss Jane Morland (denn Mr. Hawthornes Bemerkung hatte eine lang andauernde Wirkung) und erkundigte sich angelegentlich nach Mrs. Shandeltons jüngerem Bruder.
Madame überzeugte Hazel rasch davon, dass ein Kostüm nur perfekt sitzen konnte, wenn die entsprechende Unterkleidung darunter es ermöglichte – und schon gab es weitere Aufträge für die Korsettmacher und Wäscheschneider und kurz darauf auch für die Handschuhmacher und Modisten, mit denen Madame eng zusammenarbeitete.
Es war etwas völlig anderes, sich Stoffproben für Vorhänge zeigen zu lassen, als sich bei Madame neu einzukleiden. Es dauerte seine Zeit, bis die Tuchballen, die Madame anschleppen ließ, aufgerollt und Hazel vor dem Spiegel angehalten worden waren, bis der perfekte Farbton für Teint und Haar gefunden war. Als der Korsettmacher eintraf, unterbrach man die Auswahl, damit er Hazels Maße nehmen konnte. Hazel wusste nicht, was sie mehr in Verlegenheit stürzte: die Tatsache, dass er mit kritischem Blick danebenstand, während ein Mädchen mit dem Maßband an ihr herumhantierte, der desolate Zustand ihres alten Korsetts oder die Selbstverständlichkeit, mit der alle Anwesenden darüber diskutierten, auf welche Weise man ihre Figur noch besser zur Geltung bringen könne.
Währenddessen thronte Madame Delacroix auf ihrem Sessel und erging sich in stillen Überlegungen, wie sie Mrs. Shandelton am ehesten dazu veranlassen könnte, ihren Bruder mit in ihren Salon zu bringen.
Nach drei Stunden fühlte Hazel sich völlig erschöpft. Immerhin wollte sie nicht mit leeren Händen heimkehren, sondern raffte sich noch auf, um Vorhangstoff für ihr kleines Zimmer zu besorgen, sie hatte Stoffproben vom letzten Mal dabei sowie ein Täschchen, mehrere bunte Bänder und sogar einen Griffel Siegellack aus ihrem Schreibtisch, weil sie zufällig die Farben hatten, die sie benötigte.
Als Hazel aus dem Rosensalon heraustrat, stand sie unerwartet Lady Arabell gegenüber. Sie hatte sie als Matthew kennen gelernt, so dass sie für einen Moment unsicher war, was sie tun sollte, denn von Rechts wegen müsste sie einfach an der Countess vorbeigehen. Aber die Entscheidung wurde ihr abgenommen, denn Lady Arabell stand ihr im Weg und schaute sie dermaßen verblüfft an, dass Hazel, um ihre Gedanken in die gewünschte Richtung zu lenken, nicht umhin konnte, mit der mädchenhaftesten Stimme, die sie eben zuwege brachte, zu sagen: "Sie sind Lady Arabell, nicht wahr? Verzeihen Sie, wenn ich Sie so einfach anspreche. Sie kennen mich nicht, aber meinen Bruder - Matthew Hawthorne."
"Entschuldigen Sie, wenn ich Sie so angestarrt habe, Miss Hawthorne", entgegnete die Countess. "Man hat mir verschiedentlich erzählt, dass Sie Ihrem Bruder sehr ähnlich sehen, aber dass diese Ähnlichkeit so weit gehen würde, hätte ich nicht gedacht."
"Manchmal werden wir für Zwillinge gehalten", behauptete Hazel geistesgegenwärtig, "obwohl natürlich einige Jahre zwischen uns liegen."
"Ich dachte, Sie seien zur Erholung nach Bath gefahren?", erkundigte sich Lady Arabell.
"Nein, das war meine Schwester Cecily", erwiderte Hazel, in der Hoffnung, alle Kleider mit ins Appartement genommen und es Jeremy damit unmöglich gemacht zu haben, als Mädchen verkleidet auszugehen. Doch ihr war es, als registriere sie einen Anflug von Misstrauen in Lady Arabells Blick.
Im selben Moment fragte Madames Mädchen: "Möchten Sie die Stoffe gleich mitnehmen oder soll ich alles zusammen in die Greenstreet liefern lassen, Mrs. Shandelton?"
Hazels Herz setzte einen Moment aus. "Ich nehme sie gleich mit", sagte sie.
Natürlich war die Hoffnung, Lady Arabell hätte nichts gehört, umsonst gewesen. "Mrs. Shandelton?", fragte sie erstaunt, kaum dass das Mädchen einige Stufen die Treppe hinunter war, denn sie war sich sicher, dass ihr alle immer von einer "Miss Hawthorne" gesprochen hatten – und das konnte kaum eine Woche her sein.
Hazels Herz raste. Sie blickte sich auffällig um und wisperte: "Ich habe es Ihnen angesehen: Sie haben es natürlich gleich erraten: die ganze Sache mit Bath war ein Schwindel. Wir wollten jedes Aufsehen vermeiden – weil ...", sie zögerte, denn ihr fiel ums Verrecken keine Ausrede ein. Die Wahrheit? Oder wenigstens ein Teil davon? "Wir haben in aller Stille geheiratet. Wir hatten eine Sonderlizenz, es musste ja so schnell gehen, weil der arme William todkrank
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