Im Schatten des Verrats (Hazel-Roman) (German Edition)
hat das Blatt kaum aufgeschlagen, eigentlich nur erste Seite überflogen. Was da stand, hat ihn ziemlich aufgebracht. Weil ich nicht lesen kann, hab ich dann später den Hauptmann gefragt, der sagte, auf der Seite stand, dass Lord Everett wegen Hochverrats hingerichtet würde. Ich konnte mir aber keinen Reim drauf machen, warum mein Leutnant sich darüber so aufgeregt hat. Eigentlich hätte er doch zufrieden damit sein müssen, denn schließlich war er es ja gewesen, der diesen ganzen Verrat aufgedeckt hatte."
Sie bedankten sich bei dem Offiziersburschen, Jeremy steckte ihm noch ein paar Schillinge zu und sie kehrten in die Jermyn-Street zurück.
"Sind wir jetzt schlauer?", fragte Jeremy.
"Nicht sehr viel. Aber alles, was der Bursche gesagt hat, passt zu dem, was wir uns schon zurechtgelegt haben: Es bestand eine enge Verbindung zwischen Kirby und dem Leutnant, so viel ist mal sicher."
"Gut, das mag stimmen. Aber wir wissen immer noch nicht, ob Kirby wirklich derjenige war, der es hat verschwinden lassen."
"Außer ihm kommt doch niemand in Frage. Außerdem: Warum sollte er mir die Existenz dieses Testaments sonst verschweigen?", fragte Hazel. "Entweder lügt der Notar oder Kirby hat das Testament."
"Wieso sollte er es noch haben? Wenn etwas drin steht, was ihn belastet, hat er es längst verbrannt."
"Da bin ich mir nicht sicher", erwiderte Hazel nachdenklich. "Wenn man etwas verbrennt, ist es unwiederbringlich verloren. Wir dürfen nicht vergessen, dass Kirby Shandelton dazu aufgefordert hat, das Geständnis zu schreiben. Ich könnte mir denken, dass Kirby es aufbewahrt und hütet wie einen Schatz. Wenn Everett freigesprochen wird und man anfängt, nach den wahren Drahtziehern hinter der Intrige zu fragen, dann kann es unter Umständen für Kirby wichtig werden, einen Täter präsentieren zu können, um seine eigene Unschuld zu beweisen." Hazel legte ihre Hand aufgeregt auf Jeremys Arm. "Begreif doch, Jeremy, wir müssen dieses Testament unbedingt finden! Nur so können wir Papas Unschuld beweisen."
"Wenn das so einfach wäre!", knurrte Jeremy ungehalten. "Ich kann mir nicht vorstellen, dass Kirby das Testament noch hat. Er hätte es doch sonst schon längst wieder auftauchen lassen!"
"Nicht unbedingt. Vielleicht wartet er noch den geeigneten Zeitpunkt ab. Wenn Lord Everett hingerichtet wird, ist es schließlich besser, das Testament niemals zu veröffentlichen."
"Aber wenn er das Testament noch hat, brauchen wir ihm doch nur die Polizei auf den Hals zu schicken."
"Da macht wenig Sinn. Er braucht doch nur zu sagen, er hat es nicht. Also werden sie sein Haus durchsuchen. Bis dahin hat er es längst beiseite schaffen können."
"Außerdem hat er es vielleicht in Mayfanhair versteckt."
"Das glaube ich nicht. Er ist wochenlang nicht dort. Wenn es stimmt, was wir vermuten, dass er auf den rechten Zeitpunkt wartet, dann muss er es jederzeit rasch bei der Hand haben können."
"Wo würdest du denn das Testament verstecken? In einem Haushalt, in dem allerlei Dienstboten zum Saubermachen in alle möglichen Ecken kommen?"
"Im Tresor", meinte Hazel sofort. "Er ist im oberen Stock hinter einem Bild von Mayfanhair verborgen und wird mit einem kleinen Schlüssel geöffnet, den er an einem Kettchen in seiner Westentasche immer bei sich hat."
"Na, bravo ", brummte Jeremy. "Und wie sollen wir unter diesen Umständen an den Schlüssel drankommen?"
"Keine Ahnung."
Jeremy schaute Hazel nachdenklich an.
"Hast du eigentlich noch den Schlüssel zu eurem Appartement?", fragte er.
Als der Marquis of Wainwright nach Hause kam, fand er ein zartlila Briefchen vor:
Erwarte mich morgen um fünf.
Viola.
Seiner ersten Verblüffung folgte Misstrauen. Er drehte und wendete das Blatt, erkannte gleichwohl Hazels Handschrift. Aber je mehr Zeit verging, desto mehr entstand in ihm gespannte Erwartung, so dass er wahrhaftig am folgenden Tag allen vernünftigen Überlegungen zum Trotz zur vorgegebenen Zeit die Treppen zum Appartement hinaufstieg und mit einiger Erregung den Türklopfer betätigte.
Hazel öffnete ihm.
Ihr Anblick weckte in ihm sein ganzes Begehren. Sie trug ein tief ausgeschnittenes elegantes Negligé, das vorn durch eine Knopfreihe zu öffnen war und ebenso viel enthüllte wie verbarg.
"Oh, Dave!", flüsterte sie zärtlich. "Du bist wirklich gekommen!"
Noch zauderte er einzutreten.
Sie fasste sein Handgelenk und zog ihn herein. "Rasch, uns darf niemand sehen!"
Lautlos schloss sie die Tür hinter
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