Im Schatten des Verrats (Hazel-Roman) (German Edition)
Wineyard schließlich an die dankbareren Zuhörer im Publikum. "Als der Schuss losging, dachte ich, mein Ohr zerspringt und ich hätte für immer mein Gehör verloren. Ich schwöre Ihnen, noch jetzt höre ich einen singenden Ton im rechten Ohr!"
Bevor Lady Wineyard darangehen konnte, weitere körperliche Beschwerden aufzuzählen, zog sich Hayward lieber zurück.
Weil die beiden Wineyard-Töchter sich noch außerstande sahen zu tanzen und jede des Trostes einiger Freundinnen bedurfte, die sie umringten, konnte Hayward zu seiner Erleichterung feststellen, dass dadurch im großen Saal keine Damen überzählig waren, er folglich nicht genötigt war, dem Auftrag seiner Mutter nachkommen zu müssen. Ein Blick über das Parkett genügte ihm, um Lady Irvins Tochter Bridget wohlversorgt in der Hand eines tüchtigen Taktzählers zu entdecken und einen Jugendfreund beim Flirt mit einer kecken Blondine.
"Wer ist das Mädchen, mit dem Mr. Masterson tanzt?", erkundigte er sich bei einer der am Rande thronenden Anstandsdamen.
"Eine Miss Hawthorne", gab man ihm gleich missbilligend Auskunft. "Sie ist mit ihrer Mutter und ihrem jüngeren Bruder hier. Ich muss schon sagen, das Mädchen hat einigermaßen freizügige Manieren. Ihre Mutter ist Französin ."
"Das erklärt ja dann alles", lächelte Hayward und verzog sich.
Im Saal war es ziemlich stickig. Da alle Dienerschaft offensichtlich mit Handreichungen für die Wineyards beschäftigt war, probierte Lord John eine der Flügeltüren. Weil sie sich öffnen ließ, trat er hinaus in den Garten und schlenderte ein wenig über die Terrasse hinaus, musste aber bald feststellen, dass das Dunkel jenseits der am Hauptweg aufgestellten Fackeln schon zu undurchdringlich war, als dass man ohne Gefahr für die kostbaren Tulpenzwiebeln über das Gelände hätte streifen können. Er zögerte und überlegte eben noch, ob er umkehren solle, als er in seiner Nähe ein Räuspern hörte.
"Bevor Sie auf den Gedanken kommen, sich hier etwa in aller Heimlichkeit zu erleichtern, sollte ich Sie vielleicht darauf aufmerksam machen, dass Sie nicht ganz allein sind!", sagte eine jugendliche Stimme neben ihm und eine schlaksige Gestalt sprang von einer halbhohen Mauer, auf der sie gesessen haben musste, herab und landete vor ihm auf dem Kiesweg.
Hayward lachte leise. "Warum sind Sie nicht drinnen bei den anderen im Saal, junger Mann?", fragte er.
Sein Gegenüber zog geräuschvoll die Nase hoch und spuckte das Ergebnis seines Tuns ins Dunkel. "Das blöde Gehopse geht mir nur auf die Nerven", knurrte er.
Der flackernde Schein einer nahen Fackel erleuchtete ein schmales Gesicht mit einem eckigen Kinn und noch sehr jugendlichen, fast mädchenhaften Zügen. Als er seinen Kopf wandte, fiel das Licht für einen Moment voll in seine Augen und ließ sie grün aufleuchten – ein Anblick, den Hayward ungemein faszinierend fand.
"Warum sind Sie dann überhaupt zu dem Ball gekommen?", fragte er.
"Wurde erpresst", grummelte der Junge.
"Sie also auch", griente Hayward. "Sie tanzen wohl nicht gern?"
"Hmm, kann man wirklich nicht sagen. Außerdem gibt es nichts Schlimmeres, als ein Mädchen aufzufordern und dann, wenn sie aufsteht, feststellen zu müssen, dass sie einen um Haupteslänge überragt, und mit dieser Bohnenstange dann die nächste halbe Stunde lang über das Parkett schieben zu müssen."
Hayward grinste. "Aber sehr oft kann Ihnen das doch nicht passieren", meinte er, "weil Sie selbst ja nicht klein sind."
Der Junge schaute ihn einen Moment lang mit einem seltsamen Blick an und kickte dann einen Kieselstein mit dem Fuß fort. "Ja, Sie haben natürlich Recht. Genau genommen ist es mir erst einmal passiert. Aber peinliche Erlebnisse wirken auf mich immer besonders nachdrücklich." Ein rasches verlegenes Lächeln huschte über sein Gesicht und er strich sich, da sein ungepudertes, lockiges Haar von einem Haarband im Nacken nur unvollkommen gebändigt wurde, mit einer weich anmutenden Geste eine Haarsträhne aus der Stirn.
Hayward musterte ihn nachdenklich. "Wie heißen Sie?", fragte er.
"Hawthorne."
"Ach ja, genau", erinnerte sich Hayward, "Sie sind mit Ihrer Mutter und Ihrer Schwester hier."
"Cecily", nickte Hawthorne.
"Wie soll ich Sie anreden?"
Hawthorne runzelte die Stirn, als überlege er angestrengt. "Mit ‚Hawthorne‘?", schlug er schließlich sarkastisch vor.
Hayward grinste. "Mein Name ist John Hayward", entgegnete er. "Mein Vater ist der Herzog von Richmond. Anreden können Sie mich
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