Im Schatten des Verrats (Hazel-Roman) (German Edition)
– also auch die Hawthornes – endlich in die Betten sinken konnten.
"Und?", fragte die Mama. "War der Abend nicht ein voller Erfolg?"
Hazel verstand unter einem vollem Erfolg bei weitem etwas anderes. "Jedenfalls muss ich zugeben, dass niemand etwas gemerkt hat", gab sie zurück.
"Hilf mir aus diesem verdammten Kleid raus", bat Cecily, als sie allein im gemeinsamen Zimmer waren, "ich weiß nicht, wie ihr Frauen das Tag für Tag aushaltet. In London ist damit Schluss, das sage ich dir."
Als Hazel ihr die Korsage öffnete, fielen nach und nach etliche Taschentücher heraus, die sie benutzt hatten, um die Oberweite, die die fischgrätengestützte Form des Oberteils vorgab, auszufüllen.
Hazel, die schon aus dem Anzug ihres Bruders geschlüpft war und ihr Nachthemd übergestreift hatte, grinste breit und reichte den Cremetopf zum Abschminken weiter, bevor sie sich aufs Bett warf. Nicht ohne Faszination sah sie von dort aus zu, wie nach und nach unter all dem Puder, Rouge und Schminke wieder ihr Bruder Jeremy zum Vorschein kam.
"Dieser Lord John Hayward ist echt große Klasse", befand er. "Scheint einigermaßen reich zu sein. Als Mädchen komme ich mit Leichtigkeit an Männer heran, die mich als Junge völlig ignorieren würden."
"Das ist ja komisch", gab Hazel spitz zurück. "Bei mir ist es genau umgekehrt."
"Sieht ziemlich gut aus, der Kerl."
"Findest du?", fragte sie überrascht. Sie wäre niemals auf den Gedanken gekommen, einen Mann mit solch harten und wenig einnehmenden Zügen als gutaussehend zu bezeichnen.
"Doch", bestätigte Jeremy, "sportliche Figur und alles. Und nicht die Sorte, die einem gleich heimlich in den Po zwickt."
"Das ist allerdings erstaunlich", meinte Hazel bissig, "denn du warst genau die Sorte Mädchen, dem man heimlich in den Po zwickt."
"Ph!", bemerkte Jeremy, "du bist nur neidisch, weil ich mehr Erfolg habe als du."
Am nächsten Tag gegen Mittag, als Hazel in Jungenkleidung über die Weide strolchte und angesichts der langsam über das Gras streifenden Pferde überlegte, ob sie nicht Lady Irvins Angebot auszureiten annehmen sollte, sah sie plötzlich einen Reiter im Galopp über die Felder kommen. Er hielt genau auf sie zu. Es war Hayward. Ohne Perücke und Balltoilette hätte sie ihn beinahe nicht erkannt.
"Hallo Hawthorne", grüßte er. "Wieder auf den Beinen?"
"Ja", erwiderte sie befangen. Ihr Blick blieb irritiert auf dem ungepuderten Blond seiner Haare hängen. Nach einer kleinen Pause fügte sie hinzu: "Nachdem Sie gestern weg waren, ging es noch ziemlich lang weiter. Bis in den Morgen."
"Hm", stimmte Hayward zu, "ich weiß. Lady Irvin war heute schon zu nachtschlafener Zeit bei meiner Mutter drüben und hat ihr brühwarm alles erzählt."
Er legte die Hand über die Augen und schaute über die Koppel.
"Ich fahre rüber nach Windsor Gardens", sagte er. "Ich will mir zwei Pferde ansehen, die ich vielleicht kaufen werde. Wollen Sie mitkommen?"
Hazel blickte ihn überrascht an. "Das wird nicht gehen", erwiderte sie schnell, "Mama lässt mich niemals mitfahren."
"Und wenn Ihre Schwester Sie begleitet?"
"Cecily? Um Himmels Willen, bloß nicht! Ihr wird immer schlecht, wenn sie über Land fahren muss. Und allein darf ich bestimmt nicht mitfahren. Mama macht sich immer schreckliche Sorgen um mich." Sie konzentrierte sich auf die hervorbrechenden Knospen am Strauch links hinter Hayward und fügte, weil sie fürchtete, diese Ausrede klänge zu albern, als Erklärung hinzu: "Ich war als Kind ziemlich kränklich. Ich weiß nicht, ob Mama es mir erlaubt."
"Na, dann fragen wir sie doch einfach!", meinte Hayward lächelnd und stiefelte auch schon auf das Haus zu.
Hazel atmete insgeheim auf, denn sie brauchte ihrer Mutter ja nur heimlich Bescheid zu sagen, dass sie es verbieten solle. Sie gab sich Mühe, mit möglichst großen Schritten neben Hayward herzugehen.
Aber als sie von der Gartenseite her auf das Haus zukamen, sahen sie Mrs. Hawthorne schon von Weitem im Staudengarten stehen und im Auftrag von Lady Irvin einen Strauß zurechtmachen.
"Guten Morgen, Mrs. Hawthorne", grüßte Hayward und beugte sich galant über ihre nach Erde und Grünzeug riechende Hand und fragte, noch ehe Hazel überhaupt die Möglichkeit hatte, etwas zu sagen: "Darf Ihr Sohn mit mir nach Windsor Gardens fahren? Es ist nur ein paar Ortschaften weit, wir fahren mit dem Zweispänner, ich nehme ein großes Lunchpaket mit und wir sind in drei oder vier Stunden wieder zurück. Ich weiß, dass Sie
Weitere Kostenlose Bücher