Im Schatten des Verrats (Hazel-Roman) (German Edition)
"War das so schlimm? Sind Sie jetzt erleichtert, in ihr kein blutrünstiges Monster vorzufinden?"
Hazel stand mit finster zusammengezogenen Augenbrauen da und wünschte, sie wäre am anderen Ende der Welt.
Eine andere junge Frau mit einer auffallenden Ähnlichkeit mit Hayward kam aus dem Raum. "Wo bleibst du denn? Wir hatten eben beschlossen, nicht länger auf dich zu warten."
"Mr. Hawthorne – meine Schwester Isabella, Lady George Winslow, Marchioness of Salisbury."
Hazel machte einen Diener.
"Nein, ist der niedlich!", rief sie begeistert, als sei Hazel gar nicht selbst anwesend, verschwand in der Tür und verkündete deutlich hörbar: "John hat Mr. Hawthorne mitgebracht!"
Das reichte. Hazel nahm entschlossen ihren Mantel und sagte grimmig: "Ich gehe!"
Hayward hielt sie zurück.
"Hazel, bitte!", sagte er eindringlich. Nur der Tatsache, dass er ihren wahren Namen benutzt hatte, und seinen braunen Augen hatte er es zu verdanken, dass Hazel nicht sofort aus dem Haus stürzte.
"Was haben Sie Ihrer Familie eigentlich über mich erzählt?", fragte sie abweisend.
"Nichts. Das ist es ja eben. Sie sind schon alle ganz neugierig. Isabella dürfen Sie nicht so ernst nehmen, sie hatte noch nie das geringste Taktgefühl. Aber Catherine ist von meinen Schwestern die netteste."
"Wie viele haben Sie denn noch von der Sorte?", erkundigte sie sich grantig.
Hayward grinste. "Keine Sorge. Heute sind nur diese beiden da. Und mein Bruder James. Ansonsten sind wir allerdings sechs", meinte er. "Henry ist der Älteste, er ist der Earl of Cheswick, dann kommen James, Laetitia, Isabella, ich und zuletzt Catherine, unser Nesthäkchen."
"Mit dieser Aufzählung wollen Sie vermutlich andeuten, dass ich heute noch ziemlich Glück gehabt habe", grummelte sie, ließ sich von ihm widerwillig den Mantel wieder abnehmen und durchquerte die Halle.
"Wir essen unsere Opfer übrigens mit Messer und Gabel", wisperte Hayward und hielt ihr die Tür auf zum Eintreten. Sie warf ihm einen vernichtenden Blick zu und ging an ihm vorüber in das Zimmer hinein.
Hazel blieb zögernd in der Nähe der Tür stehen. Auf dem Sofa thronte die Herzogin, die Haare heute allerdings ungepudert und nur mit schlichter Coiffure (oder was eine Herzogin, die über einen eigenen Leibfriseur verfügt, eben für schlicht hält). Hinter ihr stand zu Hazels Überraschung ein auffallend gut aussehender Mann – das musste Haywards Bruder sein.
Hayward ging zu seiner Mutter und begrüßte sie mit einem Handkuss.
"Mutter, ich habe mir erlaubt, Mr. Matthew Hawthorne mitzubringen." Und zu Hazel gewandt stellte er vor: "Lady Constance, Duchess of Richmond."
Die Herzogin musterte sie nicht unfreundlich. Tatsächlich schien sie sie nicht wiederzuerkennen, denn sie stellte fest: "So – Sie sind also der bemerkenswerte Mr. Hawthorne."
Hazel atmete auf. "Mr. Hawthorne bin ich wohl", erwiderte sie, "aber ich wüsste nicht, was an mir so bemerkenswert wäre."
"Ich sag ja, er ist niedlich!", quietschte Isabella.
"Isabella!" Die Herzogin verdrehte die Augen. "Ich muss mich für meine Tochter entschuldigen", sagte sie zu Hazel gewandt. "Ich schwöre Ihnen, ich habe mir jahrzehntelang redliche Mühe gegeben, meinen Kindern Sitte und Anstand beizubringen, aber wie Sie sehen, habe ich in einigen Punkten völlig versagt."
Hazel lächelte höflich.
"Treten Sie näher!", verlangte die Herzogin. "Sie dürfen mir die Hand küssen."
Sie reichte Hazel ihre sorgfältig manikürte Hand. An ihrem schlanken Ringfinger steckte ein ausladender Ring, in dessen Mitte ein großer Rubin prangte, der von unzähligen, einzeln gefassten weißen Brillanten umgeben war.
Hazel beugte sich über die nach Rosenöl duftende Hand und fühlte beim Aufrichten plötzlich, dass der Ring an ihrer Oberlippe entlangschrappte. Unwillkürlich stieß sie einen erschrockenen kleinen Laut aus und fasste sich an die Lippe. "Oh, Verzeihung!", stammelte sie. "Wie ungeschickt von mir!"
"Mutter!", stöhnte Haywards Bruder. "Ich habe dir schon hundertmal gesagt, dass das ein unmöglicher Ring ist!"
"Ich gebe ja zu, dass er entsetzlich unpraktisch ist. Ich bleibe selbst andauernd mit ihm irgendwo hängen. Aber ich trage ihn nun mal so gerne." An Hazel gerichtet fragte sie besorgt: "Haben Sie sich verletzt?"
"Nein, nein – es ist nichts", beeilte Hazel sich zu sagen. "Nicht der Rede wert."
"Aber Sie bluten ja", stellte Catherine fest.
Hazel zog ihre Lippe ein und leckte rasch darüber. "Nur ein winziger Kratzer.
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