Im Schatten des Verrats (Hazel-Roman) (German Edition)
Trauerweiden erreicht hatten, zog er sich Schuhe und Strümpfe aus, sprang ins Wasser und zog das Boot so weit ans Ufer, dass Hazel mit einem Sprung trockenen Fußes die Böschung erreichen konnte. Er wusste, mit welchem Knoten man das Boot am besten vertäute, er kannte die Stellen, wo Flusskrebse unter den Steinen saßen, er breitete die mitgebrachten Decken aus, damit Hazel nicht im feuchten Gras sitzen musste. Die Getränke waren kühl (er hatte rechtzeitig daran gedacht, die Flaschen an Schnüren zu befestigen und in den Fluss zu hängen), das Essen, das er eingepackt hatte, erwies sich nicht nur als äußerst reichlich, sondern auch als äußerst delikat, was angesichts der Tatsache, dass sie natürlich keinen einzigen Fisch gefangen hatten, allen besonders angenehm erschien.
Nach dem Essen lagen sie faul im Schatten der Weide auf ihren Decken, während das Flusswasser mit sanften Geräuschen am Ufer entlangglitt. "Oh, Mann, bin ich voll!", stöhnte Jeremy, "ich kann keinen Bissen mehr essen! Ich fühl mich so schwer - hoffentlich geht gleich unser Boot nicht unter!" Hazel blinzelte in die Sonne und überlegte schläfrig, ob das überhaupt möglich war, das Boot hatte auf der Hinfahrt das Essen ja auch getragen ...
Sie wälzte sich auf die Seite, so dass ihr Gesicht beschattet wurde. Ihr Blick fiel auf Hayward. Obwohl er mit geschlossenen Augen, die Arme hinter dem Kopf verschränkt, regungslos auf dem Rücken lag, schien er nicht zu schlafen. Sein blondes Haar hatte der Wind zerzaust, seine sonst so herben Gesichtszüge waren entspannt und wirkten weicher als sonst.
"Ist noch Zitronenwasser da?", erkundigte sich Jeremy träge.
Niemand reagierte. "Hazel, gib mir mal die Flasche ‘rüber!", meinte Jeremy. Hazel schlug geistesabwesend die Augen auf und angelte nach der Flasche neben ihr, um sie Jeremy hinüberzureichen. Erst als Jeremy schon einen kräftigen Schluck genommen hatte und zum Fluss hinunter gelaufen war, ging ihr auf, dass er ihren richtigen Vornamen benutzt hatte. Erschrocken warf sie einen prüfenden Blick auf Hayward, er lag noch regungslos im Gras. Aufatmend ließ sie sich auf ihre Decke zurücksinken.
"Warum nennt er Sie Hazel, wo Sie doch Viola heißen?", fragte Hayward, ohne die Augen zu öffnen.
Verdammt!
"Ein Familienkosename", erklärte Hazel hastig, "wegen meiner Haarfarbe."
Er rollte sich phlegmatisch herum und blickte sie amüsiert an.
"Ach, Hazel", lächelte er, "wann hören Sie endlich auf, mich zu belügen."
Hazel war zum Glück einer Antwort enthoben, denn Jeremy kam zurück und fragte: "Kann ich die Pastetenschüssel haben? Sie ist doch leer und ich habe da drüben eine Menge Molche entdeckt."
"Untersteh dich!", warnte Hazel und begann, die Wolldecke aufzurollen. "Außerdem müssen wir allmählich an die Rückfahrt denken."
Rudern war auf der Heimfahrt zwar nicht unbedingt nötig, aber die Themse floss ausgesprochen langsam und Hazel, der es zu lang wurde, nahm selbst die Ruder und beschleunigte damit ein wenig ihre Fahrt.
Das kleine Intermezzo vorhin hatte ihr in Erinnerung gebracht, wie riskant es war, mit Hayward zusammen zu sein. Ach, verflixt! Warum war sie seiner Einladung bloß gefolgt? Sie wusste doch, wie gefährlich er in Wirklichkeit war! Und er war keineswegs dumm. Ihm brauchte jetzt nur noch irgendjemand durch Zufall die Information zukommen lassen, dass Lord Hamilton Grahams Tochter Hazel hieß - und er würde sich zwei und zwei zusammenzählen können.
Und was wäre dann, wenn er ihr Geheimnis schließlich ergründet hätte? Würde er schweigen? Würde er zu ihnen halten? Oder würde er sich nicht vielmehr bestürzt von ihnen abwenden, sie augenblicklich fallen lassen und sie schneiden – so wie zweifellos die ganze übrige vornehme Gesellschaft es tun würde?
Sie fühlte eine Hand auf ihrer Schulter und wandte erschrocken den Kopf. Es war Hayward. "Lassen Sie mich das Ruder übernehmen", sagte er mit Wärme in der Stimme und einem freundlichen Blick aus seinen braunen Augen. Mit einem Mal schien es Hazel, als umfasse sein Angebot weitaus mehr als nur die Übergabe der beiden Riemen - die sie ihm im Übrigen bereitwillig überließ.
Bei dem Haus des Flussfischers angekommen, wartete Stafford mit Haywards Kutsche auf sie und brachte sie nach London zurück. Sie kamen von Westen über den Hydepark herein und mussten das Tempo deutlich drosseln, weil bei dem schönen Wetter etliche Pferde und Wagen unterwegs waren.
"Wollen Sie mal die Zügel
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