Im Schatten des Verrats (Hazel-Roman) (German Edition)
Nichts Ernstes." Verlegene Röte ergoss sich über ihre Wangen.
"Zeigen Sie mal!", verlangte Lord James und trat auf sie zu.
Er war groß, so wie Hayward, hatte aber, abgesehen von der sportlichen Figur, ansonsten wenig Ähnlichkeit mit ihm. Sein Haar war sehr dunkel, an den Schläfen schon mit einigen Silberfäden durchzogen. Seine Augen hatten zwar dieselbe braune Farbe wie die von Hayward, aber die Augenbrauen darüber waren völlig gleichmäßig geschwungen und so fehlten ihnen Haywards zynischer Ausdruck. Überhaupt hatte er viel angenehmere Züge, freundlich und offen, ein Mann, dem man sich gerne anvertrauen würde, dachte Hazel. Ein Mann, der – trotz seiner grauen Schläfen – keineswegs väterlich wirkte, sondern ausgesprochen attraktiv war. Hazel ertappte sich dabei, dass sie mit mädchenhafter Bewunderung zu ihm aufblickte, und schlug rasch die Augen nieder.
"Mein Bruder James", stellte Hayward vor.
"Wie schön, Sie endlich kennen zu lernen!", sagte er und streckte die Hand aus, die Hazel linkisch ergriff. Sie fühlte sich von warmen Fingern auf angenehme Weise gedrückt. Solcherweise ermutigt schaute sie auf und erhaschte einen freundlichen Blick mit – Hazel stockte der Atem – eben jenem gewissen Ausdruck darin, den sie nun schon zur Genüge kannte. Herr im Himmel! Haywards Bruder interessierte sich für Männer?! Durch diese überraschende Entdeckung mutig geworden fragte sie unverwandt: "Und welchen Titel haben Sie ?"
"Bischof von London", antwortete er lächelnd.
Hazel verschlug es die Sprache.
In diesem Augenblick betrat der Herzog das Zimmer. Er fasste Hazel scharf ins Auge und stellte leutselig fest: "Ah. Besuch!"
"Vater, das ist Matthew Hawthorne ", verkündete Isabella, bevor Hayward die Vorstellung übernehmen konnte.
Der Herzog räusperte sich. "Habe Ihren Vater gut gekannt!", sagte er.
Hazel hielt die Luft an.
"Aber Vater", meinte Hayward gelassen, "das verwechselst du bestimmt. Die Familie ist erst seit kurzem in London."
"Hawthorne – das habe ich doch richtig verstanden, oder nicht?", fragte er.
"Doch, doch. Errol Hawthorne", beeilte Hazel sich zu versichern.
"Na, also." Er setzte sich an den gedeckten Tisch. "Gibt’s endlich was zu essen?"
Die Herzogin betätigte den Klingelzug und befahl dem bald darauf erscheinenden Diener, ein Gedeck für Mr. Hawthorne aufzulegen und das Essen auftragen zu lassen.
Einige Bedienstete kamen mit abgedeckten Platten und Schüsseln, die sie auf dem Tisch abstellten. Bevor sie den Raum verließen, lüfteten sie die Deckel und Abdeckhauben von dem dampfenden Essen.
"Bei unserem Familienessen halten wir es ganz ungezwungen", erklärte Lady Constance den Rückzug der Diener. Der Herzog ging mit einem gefährlich aussehenden Messer auf ein gebratenes Geflügel los, rammte es ihm, als müsse er es erst noch töten, in den Leib, säbelte ein gutes Stück davon ab und schubste es auf Hazels Teller.
"Sie sind zum ersten Mal in London?", eröffnete Lady Constance die Inquisition.
"Ja."
"Ich habe gehört, Sie hatten ein Duell mit dem Marquis of Wainwright?", erkundigte sich Lady Isabella wissbegierig, während sie ihr zwei Schüsseln zuschob.
Hazel stockte der Atem.
Hayward hob die Augenbraue und schaute Hazel überrascht an. "Tatsächlich?"
"Aber ja!", antwortete Isabella für sie. "Auf offener Straße!"
Hazel atmete auf. "Ach so, ich glaube, ich weiß jetzt, was Sie meinen. Es war kein Duell. Ich habe keine Ahnung, was die Leute herumerzählen, aber vermutlich eine ganze Menge Unsinn."
"Wenn es kein Duell war, was war es denn dann?"
Hazel fühlte sich genötigt, die Geschichte mit dem Straßenjungen zu erzählen. Isabella quiekte an mehreren passenden und unpassenden Stellen begeistert auf. Während sich in Catherines Gesicht ein vergnügtes Amüsement spiegelte.
"Davon haben Sie mir ja noch nie etwas gesagt", stellte Hayward fest.
Hazel rutschte peinlich berührt auf ihrem Stuhl nach vorne. "Warum hätte ich das auch tun sollen?", bemerkte sie verlegen. "Es war ein ganz und gar unbedeutendes Erlebnis, bevor es in dieser aufgebauschten Form in der Londoner Gesellschaft die Runde gemacht hat." Der Bischof schaute sie nachdenklich an. Hazel fing seinen Blick auf und errötete, als er ihr ein kleines Lächeln schenkte.
Lady Catherine meinte: "Das war verdammt mutig von Ihnen. Kirby ist mit dem Degen flott bei der Hand."
"Catherine!", tadelte Lady Constance. "Mäßige deine Sprache!"
"Kirby?", fragte der Herzog, der mit den
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