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Im Schatten des Vogels

Im Schatten des Vogels

Titel: Im Schatten des Vogels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anika Lüders
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Schritt und Tritt gefolgt. Vor einigen Tagen bekam er eine seltsame Kolik. Papa versuchte, ihn zu heilen, hatte aber kaum Erfolg. Dann gab er ihm ein anderes Medikament, und es schien ihm besser zu gehen. Aber dann fanden wir Garpur eines Morgens ganz steif vor unserer Tür, als wir aus dem Zimmer kamen.
    Vigfús hält daran fest, dass Papa Garpur mit einer zu großen Dosis umgebracht hat. Ich bitte ihn, sich einen solchen Unsinn nicht in den Kopf zu setzen. Gleichzeitig erinnere ich mich schwach daran, wie Kristbjörg sich einmal über Tropfen ereifert hat, die auf dem Land eine junge Kuh getötet haben sollen. Vigfús lässt sich nicht davon abbringen. Papa und er streiten sich, dass die Fetzen fliegen, und ich schließe mich ein, will ihre gegenseitigen Anschuldigungen nicht hören.
    Vigfús begräbt Garpur oben in der Schlucht und nimmt Stefánmit. Ich bleibe mit Katrín daheim, sie ist unruhig, bekommt wahrscheinlich Zähne. Papa läuft fluchend durchs Haus, während Mutter und Halldóra sich, soweit es geht, zurückhalten.
    Ich schaue aus dem Westfenster und suche ohne Erfolg die Wolken über dem Gletscher ab. Sehe wenig durch die Tränen. Drücke Katrín an mich. Habe Vigfús gegenüber nichts gesagt, weiß aber ziemlich sicher, dass es wieder so weit ist und ich das dritte Kind in mir trage.

V
    Jeden Tag, den Gott gibt, versuche ich, mich mit dem neuen Haus zufriedenzugeben, doch es gelingt mir nicht. Es ist zweistöckig, die Wände sind aus Stein und zum Hofplatz mit Holz verkleidet. Das Dach ist flach und fällt zum Berg hin ab. Kein Dachboden, kein Keller. Oben sind zwei kleine Schlafzimmer mit winzigen Fensterchen, unten eine Küche und eine mäßig helle Wohnstube. Die Küche ist groß, der Boden nur zur Hälfte mit Holz ausgelegt. Der Herd steht auf Erdboden.
    Jahrelang habe ich dagegen angekämpft. Nie geglaubt, dass Vigfús Ernst machen würde. Ihn angefleht, nicht umzuziehen.
    Mit den Gedanken bin ich ständig bei Mutter und sehe vor mir, wie sie aussah, als wir aufgebrochen sind. Dass wir fortmussten, nagt an mir. Ich, die versprochen hatte, immer bei ihnen zu bleiben. Papa gab auf und ließ mich mit der Orgel ziehen. Brachte sie vom Schloss tatsächlich hierher! Ich traue mich nicht, darauf zu spielen.
    Schrecke nachts hoch. Ob es Mutter gut geht? Und ob Hulda wohl ihre Milch bekommt? Papa ist vergesslich geworden. Einar, der inzwischen mit Ingunn verheiratet ist und eigene Kinder hat, versprach, auf alle achtzugeben.
    Vigfús war stolz, als er uns auf den neuen Hof umsiedelte. Befreite die kleine Anna aus der Decke und hieß sie willkommenzu Hause. Hieß uns alle willkommen. Lachte und machte seine Späße mit Stefán, Katrín und Ingi.
    Dann fing er an, die Pferde abzuladen und die Sachen hineinzutragen. Die Kinder halfen ihm. Das meiste hatte er bereits hergebracht und ins Haus geräumt. Die Nähmaschine stand auf einem Tisch am Fenster in der Wohnstube, und auch ein Ballen Stoff lag dort. Vigfús hatte ihn am Hornafjord gekauft, damit ich so bald wie möglich Gardinen nähen konnte. Er weiß, dass es mir wichtig ist, Gardinen zu haben. Der Stoff ist dünn und fadenscheinig, war offenbar günstig. Mutter wollte, dass ich die Nähmaschine mitnahm. Sagte, dass sie in nächster Zeit nicht viel nähen werde. War so niedergeschlagen. Vigfús möchte mir eine Nähmaschine schenken, war aber einverstanden, dass ich diese als Leihgabe bekam, bis die andere da ist.
    Als Anna zu jammern anfing, wurde es mir zu viel, und ich ging hinaus. Die Angst überwältigte mich, und ich konnte kaum die Beine bewegen. Lief trotzdem die Wiese hinunter und schaute zu den Berggipfeln über dem Hof. Ließ meine Augen über den Abhang wandern, suchte nach einem Wasserfall oder einer Senke, die die meinen werden könnten. Versuchte Meeresrauschen auszumachen, hörte aber nur die Brandung in meinem Kopf. Schaute zum Haus, das mitten auf der Wiese lag und wie ein Sarg aussah.
    Anna ist unruhig, und ich bekomme wenig Schlaf. Vigfús kümmert sich um den Hof und arbeitet zwischendurch in der Umgebung, ist sorgfältig und gefragt. Als mir die Arbeit vor lauter Angst über den Kopf wächst, kommt Papa den Weg zum Hof gelaufen. Ich werfe alles von mir und renne ihm entgegen. Der Tag hat Farbe bekommen.
    Noch habe ich keine Elfenwohnstätte gefunden. Das erzähle ich Papa. Da steigt er auf einen Stock gestützt den Hang hinauf und bleibt lange weg. Ich will, dass Stefán ihn begleitet, auf ihn achtgibt, doch er meint, dass er

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