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Im Schatten des Vogels

Im Schatten des Vogels

Titel: Im Schatten des Vogels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anika Lüders
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werde aber lockerer, als wir uns setzen, ich seinen Kopf streichle und er sich beruhigt.
    «Ich will nicht, dass du verrückt bist», schluchzt er so leise, dass man es kaum hört.
    Wiege mich weiter mit ihm im Arm. Schlucke die Tränen runter.
    Kurz darauf höre ich ein Gespräch unter den Geschwistern. Sie glauben, dass ich schlafe, dabei döse ich im Bett, und die Tür steht halb offen. Ingi ist aufgeregt. Will die Gerüchte zerschlagen, alle auf den Nachbarhöfen verprügeln.
    «Wieso hörst du auf das dumme Gerede von diesem Bauern da unten?», höre ich Katrín fragen, doch Stefán fällt ihr ins Wort. Er sagt etwas, das ich nicht höre. Seine Stimme wird langsam tiefer. Dann wieder Katrín: «Unsere Mutter ist die einzige Frau in der Gegend, die nähen und stricken und Orgel spielen kann und die in Reykjavík gewesen ist, die anderen alten Weiber sind bloß neidisch, dass sie hundertmal besser ist als sie. Und auch schöner und fleißiger. Und deshalb sagen sie all diese hässlichen Dinge.» Jetzt weint sie heftig.
    Ein wenig später stürmt Ingi ins Haus, diesmal auf der Flucht vor den Bewohnern des Hofes über uns.
    «Ich habe gesagt, dass der Scheißkerl ein Dieb ist!», schreit er aufgeregt.
    «Wie konnte dir so etwas bloß in den Sinn kommen?», antworte ich und fordere ihn auf, sich zu mir zu setzen.
    «Na ja, hat er nicht Vaters Stallkarre gestohlen?»
    «Das glaube ich nicht. Hat sie bloß ausgeliehen und vergessen, um Erlaubnis zu fragen.»
    «Und auch vergessen, sie zurückzubringen!», brüllt er genauso aufgeregt. «Vater hat überall danach gesucht. Weißt du nicht mehr, wie wütend er war?»
    «Warum hast du das den armen Kindern vorgehalten?»
    «Sie haben behauptet, dass Großvater ein Fremdvögler ist!»
    Die Worte hängen in der Luft. Ich bin erschrocken, kann trotzdem kaum ein Lächeln unterdrücken. Ingi ist so fuchsteufelswild. Ihm ist nicht nach Lachen zumute.
    «Ist da was dran, Mutter?»
    «Das glaube ich kaum.»
    «Die Alte ist nach draußen gestürzt und hat geschrien, dass Großvater immer noch derselbe Fremdvögler sei, obwohl er schon blind und gebrechlich werde!»
    «Das war nicht nett von ihr», antworte ich und schaffe es, meine Gesichtszüge zu kontrollieren. «Aber jetzt sollst du mal eine Geschichte über meinen Vater hören, wie tüchtig er als junger Mann war.»
    Wir sitzen lange zusammen, und Ingi, der wie festgeleimt auf seinem Stuhl sitzt, beruhigt sich langsam, während ich eine Geschichte nach der anderen über Papas Heldentaten erzähle.
    Ich sage zu, ein Kleid für eine Frau aus Reykjavík zu nähen. Vigfús ist verärgert. Er sagt, dass ich mir nicht zu viel aufbürden solle. Ich könnte mir vorstellen, den ganzen Tag zu nähen, wenn ich nur Zeit hätte. Der Stoff ist so schön, dass ich jede Berührung genieße. Die Frau ist zufrieden mit dem Kleid und lobt mich in den höchsten Tönen.
    Daraufhin bekomme ich einige Bestellungen, und bevor ich mich’s versehe, häufen sich die Aufträge an. Die Nacht ist hell, und ich bin voller Energie, wie immer, wenn ich etwas tue, das mir Spaß macht.
    Vigfús kann nicht außer Haus arbeiten, solange wir keine Magd haben. Er sagt, dass man sich nicht mehr auf mich verlassen könne. Seine Worte sind wie ein Peitschenhieb, und ich winde mich unter dem Schlag.
    Sie heißt Jórunn. Vigfús hat mich mit keinem Wort gefragt, als er sie einstellte, hat seinen Willen durchgesetzt, will, dass alles seine Ordnung hat. Jórunn ist älter als Helga und lächelt nicht so viel, ist aber genauso schlampig. Sie wäscht die Wohnstubengardinen und glättet sie so schlecht, dass ich sie wieder abhängen und noch einmal neu glätten muss. Ich habe ein Auge auf sie. Auf sie und Vigfús.
    Kurz darauf verkünde ich Vigfús, dass ich am nächsten Sonntag mit der ganzen Kinderschar Papa besuchen möchte. Vigfús murrt und sträubt sich. Trotzdem verspricht er uns die Pferde, die Kinder reiten zu zweit. Stefán hat Anna bei sich, Katrín und Ingi reiten zusammen, und ich bitte Vigfús, den kleinen Jón zu nehmen. Er ist ernst, als er sagt, dass er nicht mitwolle.
    «Du kommst nicht mit uns?», stammle ich.
    «Nein, ich muss hier zu Hause noch etwas arbeiten, aber amüsiert euch gut!», sagt er und lächelt den Kindern zu.
    «Sonntags in den feinen Klamotten arbeiten?», frage ich und ziehe die Brauen hoch. Da werde ich von Groll gepackt, der sich in Furcht verwandelt. Ich war sicher, dass er mitkommen würde. Dann hat er sich also bloß für Jórunn

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