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Im Schatten des Vogels

Im Schatten des Vogels

Titel: Im Schatten des Vogels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anika Lüders
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die Orgel für mich gekauft, für niemanden sonst. Soll Vigfús doch versuchen, mir das Spielen zu verbieten. Noch bin ich die Herrin in diesem Hause!
    Auch Anna kommt und reibt sich den Schlaf aus den Augen. Sie bittet mich, morgen mit ihr zu singen, führt mich die Treppe hinauf und hilft mir ins Bett. Die kleine Prinzessin umsorgt mich, und ich schlafe ein.
    Als ich eines Nachts nach unten komme, ist die Orgel abgeschlossen. Und der Schlüssel, der immer im Schlüsselloch steckte, ist verschwunden. Ich suche überall, finde ihn aber nicht. Wer wagt es, das Instrument abzuschließen? Mir wird schwindelig vor Wut. Dann rausche ich in die Diele. An der Haustür nimmt mich ein kalter Windstoß in Empfang. Laufe barfuß über den Hof.
    Er liegt am Fischstein, alt und schwerer, als ich gehofft hatte, doch es gelingt mir, ihn den ganzen Weg bis in die Wohnstube zu schleppen. Höre jemanden im Obergeschoss. Lasse mich nicht aufhalten.
    «Engel, pass auf», schreit Vigfús, als ich den Vorschlaghammer in die Luft stemme. Es singt in der Orgel, als das Schloss zersplittert. Ich lasse ab, und um ein Haar wäre der Hammerauf meine Füße geknallt. Vor mir steht Vigfús und zittert vom Scheitel bis zu den Fußsohlen. Da packt er den Hammer und stürzt damit nach draußen.

VIII
    Jetzt haben wir Sommer, und es ist immer hell. Ich glaube, dass ich sehr lange im Bett gelegen habe. Vielleicht sollte ich versuchen, aufzustehen. Finde ein hübsches Kleid. Gehe hinunter in die Küche und will Kaffee kochen, doch da ist die Kaffeedose verschwunden. Wo versteckt Vigfús jetzt bloß die Bohnen?
    Ich streiche über die Tastatur der Orgel, dann fällt mein Blick auf die Nähmaschine. Lange her, dass ich sie benutzt habe. Was ich wohl mit den Stoffbahnen gemacht habe, die ich in Reykjavík gekauft hatte? Anna findet sie, und ich lächle, als sie wiederauftauchen. Ach, habe ich mich nie darangemacht, die Kleider für Einar zu nähen? Es wird schön sein, das Nähmaschinengeräusch wieder zu hören. Das Brummen im Kopf hat abgenommen.
    Ich frage Anna nach der Kaffeedose. Sie steht jetzt bloß an einem anderen Platz. Anna holt sie und gießt auf. Warum müssen die Dinge auch ständig weggelegt und alles durcheinandergebracht werden?
    Es ist gut, wieder auf den Beinen zu sein, und es ist keine Magd da, die mich unglücklich macht. Aber ich habe den Eindruck, dass wir früher häufiger Besuch hatten. Jetzt ist es eine Überraschung, wenn mal jemand die Nase zu uns hereinsteckt. Und niemand lässt mehr etwas nähen. Es ist auch lange her, dass die Wanderschule bei uns war. All das fehlt mir,und ich frage Vigfús danach, doch der antwortet kaum. Anna meint, dass es aus Rücksicht auf mich so sei. Niemand wolle mich in meiner Krankheit stören.
    «Furchtbarer Blödsinn, was die Leute da denken! Ich bin kein bisschen krank.»
    «Das ist gut, Mütterchen», flüstert Anna und umarmt mich. Dann sollten wir nach draußen gehen und frische Luft schnappen.
    Wir setzen uns draußen vor die Tür, die Sonne scheint, und die Fliegen brummen. Anna möchte von Reykjavík hören, und wir vergessen alles um uns herum. Ich erzähle von den Läden, von Theateraufführungen und vom Kaffeehaus. Von Bertel und Maria, der Blaskapelle und Annas Cousine Halldóra, die jetzt die Mädchenschule besucht.
    Anna schweigt und seufzt traurig. Dann fragt sie: «Darf ich auf die Mädchenschule?»
    «Versuch, deinen Vater zu fragen», antworte ich. «Er hat dich so gern. Aber zuerst musst du dich konfirmieren lassen. Kein unkonfirmiertes Mädchen darf dorthin.»
    Da habe ich etwas Dummes gesagt. Das merke ich. Achte darauf, sie nicht anzusehen. Sie klingt ein wenig pikiert und anders als sonst, als sie sagt: «Mutter, ich bin konfirmiert. Du warst nur krank und weißt nichts davon.»
    Langsam dämmert es mir – die Konfirmation. Aber welches Kleid soll sie getragen haben? Du meine Güte – hatte ich genäht? Will nicht nachfragen.
    Ich wünsche mir heiß und innig, dass sie auf die Schule kommt, möchte sie glücklich machen. Weiß, dass sie es genießen würde, in Reykjavík zu sein. Möglicherweise würde sie nicht mehr nach Hause kommen wollen.
    «Vielleicht bitte ich Papa, die Kosten für dich zu übernehmen», sage ich und ziehe an einem ihrer dunklen Zöpfe. «Er hilft mir immer, wenn dein Vater nicht will.»
    Sie sieht mich stumm an und seufzt noch lauter.
    Die Sonne scheint an jedem Tag, und ich spüre kaum die Angst. Das wird ein guter Sommer werden. Vigfús steckt

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