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Im Schatten des Vogels

Im Schatten des Vogels

Titel: Im Schatten des Vogels Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anika Lüders
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zum Handelsplatz und neue besorgen. Da schimpft er und will keine anderen Tassen sehen.
    Ich weiß nicht, wieso der Bauer so wütend war. Er packte mich mit seinen Pranken und brüllte etwas, das ich nicht verstand.
    «Warte, warte», rief die Frau und wollte dazwischengehen, doch er fegte sie einfach beiseite.
    «Ich wollte euch nur besuchen», sagte ich und versuchte ein Lächeln. «Es ist so lange her, dass wir uns gesehen haben.»
    «Ja, ja», sagte er, als wir draußen auf dem Hof waren. «Das nächste Mal hetze ich den Hund auf dich!»
    Zum Glück mischte sich die alte Frau vom Nachbarhof ein. Sie war gerade auf dem Weg über den Hof und befahl dem Bauern, mich auf der Stelle loszulassen, sagte, dass wir verwandt seien und sie mich nach Hause begleiten werde. Doch vorher bat sie mich zu sich herein. Das fand ich sehr lieb von ihr.
    Sie führte mich in ihr Haus, das mir kein bisschen bekannt vorkam. Obwohl sie meinte, dass ich oft zu Besuch gewesen sei und für sie genäht hätte. Wir tranken einen Schluck Kaffee in der Küche, und ich bot ihr meine Hilfe an. Hatte sie nicht irgendetwas, das genäht werden musste? Ich sagte, dass wir uns schnell darum kümmern sollten – solange noch Zeit dafür sei. Bald ginge ich nämlich nach Reykjavík und würde Lehrerin an der Mädchenschule. Sie tätschelte und streichelte mich überall. Doch jetzt suchten und riefen meine Kinder nach mir, und sie gab ihnen ein Zeichen, wo ich war.
    «Es sind die Augen, Liebes», sagte sie auf dem Weg über die Wiese. «Die Leute haben Angst vor deinen Augen, wenn du einen Anfall hast. Und du verschreckst natürlich alle mit deinem Gebaren. Musst du denn auch so laut sein, meine Liebe? Aber ich weiß, dass du niemandem etwas tust – und schon gar nicht den Kindern. Das habe ich schon oft gesagt. Er soll sich nicht so haben, der Bauer vom Hof da unten. Keine Ahnung, was mit dem Mann los ist!»
    Ich versuche, auf ein Pferd zu steigen, doch da kommt Vigfús. Fragt, ob ich ungekämmt vom Hof wolle. Das wirkt. Ich mag mir gar nicht vorstellen, dass ich so liederlich ausgeritten wäre.Manchmal lasse ich zu, dass er mich den ganzen Weg bis ins Obergeschoss bringt.
    Aber oft ist Vigfús auch aggressiv. Dann will ich nicht, dass er in meine Nähe kommt. Neulich hat er mich gepackt und wollte mich ins Haus ziehen. Es regnete, und ich war zugegebenermaßen barfuß draußen, hatte es einfach nicht bemerkt. Da befreite ich mich durch einen Biss in seinen Arm. Er schrie vor Schmerz auf und ließ los. Þorgerður kam zufällig vorbei. Sie nahm mich unauffällig bei der Hand, und wir gingen gemeinsam ins Haus.
    Danach saß sie lange an meinem Bett. Sie erinnerte mich daran, dass nur Hunde beißen. Als ob ich das nicht wüsste! Wer beißt, dem werden die Zähne gezogen. Ich sagte, dass ich ihn ja auch nicht fest gebissen, sondern bloß gezwickt hätte. Dann bat ich sie, mir Bürste und Spiegel zu geben, und band meine Haare zu einem ordentlichen Dutt oben auf dem Kopf zusammen. Sie sind immer noch dunkelblond und kaum grau geworden, aber Vigfús anzusehen ist deprimierend. Dabei ist er jünger als ich.
    Die Kirche ist offen, ich setze mich an die Orgel und beginne zu spielen. Durchstöbere den Notenstapel, finde aber nichts, was mich befriedigt. Verdammt, wie trostlos das alles ist. Ich hätte nicht so überstürzt von zu Hause aufbrechen sollen. Hätte meine eigenen Noten mitnehmen sollen. Aber bin ich nicht ständig auf der Flucht vor Vigfús, damit er mich nicht aufhält? Wird immer aufdringlicher, der Kerl.
    Ich blicke nach oben. Hier fehlt die Kuppel aus den Kirchen in Rom, von denen Pétur Jakob erzählt. Und wo ist das Pedalspiel aus der Dómkirkja in Reykjavík? Ohne ist es unmöglich, ein richtiges Konzert zu geben. Warum um Himmels willentreibe ich mich noch in dieser Gegend herum, in der es nichts und wieder nichts gibt? Hätte schon längst fort sein sollen.
    «Guten Tag, werte Madam!» Pfarrer Jóhann steht lächelnd im Türspalt. Dann kommt er her und streckt mir die Hand entgegen.
    Ich überlege, ob ich mit ihm schimpfen soll, weil es in dieser Kirche an allen Ecken und Enden fehlt, lasse es aber sein. Stehe auf und begrüße ihn. Er freut sich, mich zu sehen, und will, dass ich ein paar Lieder auf der Orgel spiele. Will, dass wir zusammen singen.
    «Man könnte mal eine neue Orgel kaufen», sage ich brüsk. «Und zwar eine mit Pedalspiel.»
    Jóhann sagt, dass die Orgel neu und er mit dem Kauf sehr zufrieden sei. Er werde sie bei

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