Im Schatten dunkler Mächte
gehen Sie.« Ich drehte ihm den Rücken zu.
»Dies hier ist noch nicht vorbei«, zischte er durch zusammengebissene Zähne.
In letzter Zeit schien mir das jeder zu sagen. Nein, es war ganz bestimmt nicht vorbei, aber ich hatte das ungute Gefühl, zu wissen, wie es enden würde: mit einer Leiche mehr auf meinem Gewissen, das mich in meinen schlaflosen Nächten noch mehr quälen würde. »Lassen Sie mich in Ruhe, oder beschaffen Sie sich einen Haftbefehl.« Ich steckte den Schlüssel ins Schloss, öffnete die Tür und sah dabei noch einmal über meine Schulter.
Jayne blieb auf dem Bürgersteig stehen â fast genau dort, wo ich fünf Minuten vorher gestanden hatte, und starrte mit gerunzelter Stirn in die verlassene StraÃe. Er wusste es nicht, aber die Schatten starrten auf ihre gesichts- und augenlose Weise zurück. Was würde ich tun, wenn er darauf zuginge?
Ich kannte die Antwort und hasste sie: Ich würde meine Taschenlampen zücken, ihm folgen und mich vollkommen lächerlich machen, nur um ihn vor etwas zu retten, das er wahrscheinlich niemals sehen konnte.Wahrscheinlich würde man mich zum Dank für meine Bemühungen in eine psychiatrische Klinik sperren.
Die Kopfschmerzen wurden immer brutaler. Wenn ich nicht bald Aspirin bekam, musste ich mich wieder übergeben.
Jayne sah mich an. Er hatte das, was ich ein Cop-Gesicht nannte â einen gewissen prüfenden Blick, gepaart mit der langmütigen Gewissheit, dass sich die Person, mit der er es zu tun hat, letzten Endes in ein komplettes Arschloch verwandeln würde. Ich wurde immer besser darin, meine Mitmenschen zu durchschauen.
Er hatte Angst.
»Gehen Sie nach Hause, Inspector«, sagte ich leise. »Küssen Sie Ihre Frau und stecken Sie Ihre Kinder ins Bett. Besinnen Sie sich auf das, was Ihnen geschenkt wurde. Machen Sie sich nicht auf die Jagd nach Unheil.«
Er sah mich lange an, als würde er die Kriterien der Feigheit überdenken, dann machte er kehrt und stürmte in Richtung Temple-Bar-Bezirk.
Ich stieà einen tiefen Seufzer der Erleichterung aus und humpelte in den Laden.
Selbst wenn es nicht mein dringend benötigter Zufluchtsort wäre, würde mir Barrons Books and Baubles gefallen. Ich habe meine Berufung gefunden, und es ist nicht das Dasein einer Sidhe-Seherin, sondern das Führen eines Buchladens, insbesondere eines Geschäfts, in dem auch die besten Modezeitschriften, hübsche Stifte, Schreibwaren und Journale angeboten werden und das eine gehobene, elegante Atmosphäre hatte. Barrons Books and Baubles verkörpert all die Dinge, die ich mir immer für mich selbst gewünscht habe: Intellekt, Klasse, Glanz und Geschmack.
Das Erste, was einem beim Hereinkommen auffällt, ist â neben dem vielen, blankpolierten Mahagoni und dem facettierten Glas â die leicht verwirrende Empfindung von einer räumlichen Anomalität, als hätte man eine Streichholzschachtel aufgeschoben und ein FuÃballfeld darin gefunden.
Der Hauptraum ist gute zwanzig Meter lang und fünfzehn Meter breit. Der vordere Teil des Raumes war offen bis zum Dach, hier befanden sich drei Galerien übereinander. Verzierte Mahagonibücherregale säumten jede Etage vom Boden bis zum Laufgang darüber. Hinter eleganten Geländern befanden sich Treppen von einem Stockwerk zum anderen. Leitern mit geölten Rollen konnte man an Schienen verschieben, um an die oberen Fächer der Regale heranzukommen. Im Erdgeschoss gab es zur Linken freistehende Regale mit breiten Gängen dazwischen, zwei gemütliche Sitzecken, eine davon mit emailliertem Gaskamin (vor dem ich viel Zeit verbringe und versuche aufzutauen, nachdem ich mich Dublins kaltem Wetter ausgesetzt habe), und eine Ladentheke mit Registrierkasse, hinter der ich einen Kühlschrank, einen kleinen Fernsehapparat und meinen Sound-Dock hatte. Hinter den rückwärtigen Balkonen in den oberen Etagen stehen noch mehr Bücher, auch die ganz seltenen Ausgaben, und einige der Baubles (der Nippsachen), die das Ladenschild ankündigt, in verschlossenen Glasvitrinen.
Wertvolle Teppiche lagen auf den Holzböden. Die Möblierung ist anheimelnd antik und kostbar, wie zum Beispiel das authentisch bezogene Chesterfieldsofa, auf dem ich mich oft zusammenrolle und lese. Antike Wandlampen und in die Wand eingelassene indirekte gelbliche Leuchten verbreiteten ein warmes gelbliches Licht.
Wenn
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